Die ersten und die letzten Arbeiten des Herkules
sprach ruhig, aber seine Stimme hatte etwas Gebieterisches:
»Es wäre besser, wenn Sie es mir sagen würden.«
»Es war nichts – nichts in der Art, wie Sie es meinen.«
»Von welcher Art denn?«
»Sie sind abscheulich! Auf dem Lande geschehen oft sonderbare Dinge. Aus Rache – oder es ist der Dorftrottel oder sonst jemand.«
»Was ist geschehen?«
»Es war ein großes Aufheben wegen irgendwelcher Schafe… ihre Hälse waren durchgeschnitten. Oh! Es war grauenhaft! Aber sie gehörten alle dem gleichen Bauern, und er ist ein sehr harter Mann. Die Polizei hielt es für einen Racheakt.«
»Aber der Täter wurde nicht ermittelt?«
»Nein.«
Sie fügte heftig hinzu:
»Aber wenn Sie denken – «
Poirot hob die Hand und wehrte ab:
»Sie wissen nicht im Geringsten, was ich denke. Sagen Sie mir, hat Ihr Verlobter einen Arzt konsultiert?«
»Er weigert sich. Er – er hasst Ärzte«, erklärte Diana.
»Und sein Vater?«
»Ich glaube, der Admiral hat auch kein Vertrauen zu Ärzten. Er sagt, es sind lauter Quacksalber.«
»Was für einen Eindruck macht Ihnen der Admiral selbst? Ist er gesund? Zufrieden?«
Diana sagte leise:
»Er ist furchtbar gealtert in – in – «
»Im letzten Jahr?«
»Der Schatten dessen, was er einst war.«
Poirot nickte nachdenklich, dann fragte er:
»War er mit der Verlobung seines Sohnes einverstanden?«
»O ja. Wissen Sie, unser Gut grenzt an das seine. Wir sind seit Generationen dort. Er war überglücklich, als Hugh und ich einig wurden.«
»Und jetzt? Was sagte er dazu, dass die Verlobung aufgelöst wurde?«
Sie antwortete mit unsicherer Stimme:
»Ich traf ihn gestern Vormittag. Er sah elend aus. Er nahm meine Hand in die seine und sagte: ›Es ist hart für dich, mein Kind. Aber der Junge handelt richtig – es ist das Einzige, was er tun kann.‹«
»Und so«, führte Hercule Poirot aus, »kamen Sie zu mir?«
Sie nickte und fragte: »Können Sie irgendetwas machen?«
»Das weiß ich nicht, aber ich kann zumindest mitkommen und mich umsehen«, erwiderte Hercule Poirot.
Hugh Chandlers prächtiger Körperbau fiel Hercule Poirot vor allem auf. Groß und wunderbar proportioniert, mit einem mächtigen Thorax und breiten Schultern und einem Schopf dichter hellbrauner Haare. Er war die Verkörperung von Kraft und Männlichkeit.
Gleich nach der Ankunft in ihrem Heim hatte Diana Admiral Chandler angerufen, und sie waren sogleich nach Lyde Manor gegangen, wo der Tee sie auf einer langen Terrasse erwartete. Und mit dem Tee drei Männer. Admiral Chandler, weißhaarig, älter aussehend, als er war, die Schultern wie von einer schweren Last gebeugt und mit dunklen melancholischen Augen. Sein Freund, Colonel Frobisher, war sein direkter Gegensatz, ein vertrocknetes, zähes Männchen mit rötlichem Haar, das an den Schläfen zu ergrauen begann. Ein unruhiger, reizbarer, bissiger kleiner Mann, ein wenig wie ein Foxterrier – aber mit ausnehmend klugen Augen. Er hatte die Angewohnheit, die Stirn zu runzeln, den Kopf zu senken und dabei vorzustrecken und einen aus besagten klugen Augen durchdringend anzublicken. Der dritte war Hugh.
»Prachtexemplar, was?«, meinte Colonel Frobisher.
Er sprach mit gedämpfter Stimme, er hatte Poirots prüfende Blicke auf den jungen Mann bemerkt.
Hercule Poirot nickte. Er und Frobisher saßen nebeneinander. Die anderen drei hatten am entgegengesetzten Ende des Teetisches Platz genommen und plauderten mit etwas gezwungener Munterkeit.
Poirot flüsterte:
»Ja, er ist prachtvoll – prachtvoll. Er ist ein junger Stier – ja, man könnte sagen, der Poseidon geweihte Stier… Ein Prachtexemplar gesunder Männlichkeit.«
»Sieht ganz gesund aus, nicht?«
Frobisher seufzte. Seine schlauen, kleinen Augen beobachteten Hercule Poirot verstohlen von der Seite. Plötzlich sagte er:
»Ich weiß, wer Sie sind.«
»Das ist kein Geheimnis!«
Poirot winkte vornehm mit der Hand. Die Geste sollte bedeuten, dass er nicht inkognito hier sei. Er reiste unter seinem wirklichen Namen.
Nach einem Augenblick fuhr Frobisher fort: »Hat das Mädel Sie wegen – der Geschichte hergebracht?«
»Der Geschichte?«
»Der Geschichte mit Hugh… Ja, ich sehe, dass Sie informiert sind. Aber ich verstehe nicht recht, warum sie sich gerade an Sie gewendet hat… ich habe nicht gewusst, dass so etwas in Ihr Gebiet gehört. Ich will damit sagen, dass es doch mehr eine medizinische Angelegenheit ist.«
»Alles gehört in mein Gebiet. Sie würden staunen.«
»Ich
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