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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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hatte Dess gar nicht bemerkt, aber sie musste die ganze Zeit dort gewesen sein, in eine Ecke der Bibliothek gequetscht, um sich herum Bücher und Papiere verteilt.
    „Nummer vier …“, hob Constanza an, ihr grüner Stift schwebte über dem Papier. Jen kicherte, und Maria brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.
    Jessica sah auf ihre Bücher hinab, besonders auf den schweren Trigonometriewälzer. Ihre Energie begann wie üblich vor dem Mittagessen abzuebben. Sie mochte Constanza und ihre Clique, aber die Art, wie sie sich über Dess lustig machten, hinterließ einen schlechten Geschmack in ihrem Mund. Sie erinnerte sich daran, wie es für sie in Chicago gewesen war, bevor sie hierher kam und Miss Berühmt wurde.
    Jessica sah wieder zu Dess hinüber. Auf ihrem Tisch lag unter anderem die Einführung in die Trigonometrie. Falls Dess nur halb so schlau war, wie sie vorgab, konnte es sich lohnen, sie um Hilfe zu bitten.
    „Ich sollte wirklich zusehen, dass ich was arbeite“, sagte Jessica. „Meine Mom ist übergeschnappt und hat mich überall in die Fortgeschrittenenkurse gesteckt. Trig bringt mich jetzt schon um.“
    „In Ordnung“, meinte Constanza. „Aber wenn dir was einfällt, was du in Bixby seltsam findest, denk dran, dass du mir davon erzählst. Ich will wissen, welchen Standpunkt die neue Schülerin vertritt.“
    „Ich halte dich auf dem Laufenden.“
    Jessica nahm ihre Bücher an sich und ging zu der Ecke hinüber. Sie setzte sich in den zweiten tiefen Sessel auf der anderen Seite des niedrigen Tisches Dess gegenüber. Das Mädchen hatte die Füße auf den Tisch gelegt, glänzende Metallreifen schmückten ihre Fußgelenke über schwarzen Strümpfen.
    Jess glaubte ein Flüstern von dem Tisch hinter ihr zu hören, das sie aber ignorierte.
    „Dess?“
    Das Mädchen sah sie ausdruckslos an. Weder ungeduldig noch genervt, einfach nur seltsam neutral hinter der Brille.
    Jessicas Finger zogen das Trigonometriebuch langsam aus dem Stapel hervor.
    „Glaubst du, du könntest …“ Ihre Frage kam ins Stocken. Dess starrte sie so cool und unverwandt an. „Ich wollte dich nur fragen“, begann Jess von vorn, „äh … trägst du immer eine Sonnenbrille, wenn du liest?“
    „Nicht immer. Im Unterricht muss ich sie abnehmen.“
    „Ach. Aber warum …?“
    „Ich bin fotophobisch. Sonnenlicht tut mir in den Augen weh. Ziemlich heftig.“
    „Au. Dann sollten sie dir erlauben, die Sonnenbrille im Unterricht aufzubehalten.“
    „Es gibt keine Vorschrift. Aber sie machen es nicht.“
    „Wenn du dir ein Attest vom Arzt schreiben lässt vielleicht.“
    „Wie ist das mit dir?“, fragte Dess.
    „Wie ist was mit mir?“
    „Tut dir das Licht in den Augen nicht weh?“
    „Nein“, sagte Jessica.
    „Das ist seltsam.“
    Jessica blinzelte. Sie fing an, sich zu wünschen, sie wäre an dem anderen Tisch geblieben. Im Mathekurs war es interessant gewesen, mit Dess zu reden, aber nicht auf lustige Weise interessant. Die Mädels drüben an Constanzas Tisch wunderten sich sicher, was sie hier zu suchen hatte, weshalb sie mit diesem Mädchen redete. Jedenfalls wunderte sich Jessica.
    Trotzdem musste sie fragen: „Warum ist das seltsam?“
    Dess zog ihre Brille anderthalb Zentimeter runter und blinzelte in Jessicas Augen, mit einem gespannten Gesichtsausdruck. „Es ist einfach so, dass einige Leute, gewisse Leute, die nach Bixby ziehen, das Sonnenlicht hier schrecklich hell finden. Plötzlich brauchen sie Sonnenbrillen und müssen sie ständig tragen. Du aber nicht?“
    „Ich nicht. Passiert das wirklich vielen Leuten?“
    „Einigen Auserwählten.“ Dess schob ihre Brille wieder hoch. „Das ist eins von zehn Dingen, die in Bixby seltsam sind.“
    Jessica lehnte sich in ihrem Sessel zurück und murmelte: „Zehntausend meist du.“
    Dess lächelte sie mit einem zustimmenden Nicken an. Als sie Dess’ erfreute Miene sah, fühlte sich Jessica besser. Irgendwie tat Dess ihr leid. Die anderen Mädchen waren grob gewesen, und so schlimm war Dess gar nicht.
    „Und, Jessica, willst du wissen, was in Bixby wirklich seltsam ist?“
    „Klar. Warum nicht?“
    „Sieh dir das an.“ Dess zog, ohne hinzusehen, ein Buch aus dem Regal hinter ihr und reichte es Jessica.
    „Hm. Moby Dick. Den Film habe ich mal gesehen, aber das Buch war mir zu dick. Beängstigend.“
    „Nein. Auf dem Buchrücken. Das Siegel von Bixby.“
    Jessica sah sich den kleinen weißen Aufkleber an, der das Buch als Bibliothekseigentum der Bixby Highschool

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