Die Erwaehlten
setzte.
„Alles in Ordnung?“, fragte Jonathan.
Jessica blinzelte. In der Cafeteria war es wieder so wie immer: laut, chaotisch, ein bisschen stickig, aber nicht mehr wie in der Achterbahn. Ihre Verwirrung hatte sich so schnell gelegt, wie sie gekommen war. „Viel besser.“
„Du sahst aus, als würdest du umfallen.“
„Nein, ich … Ja, vielleicht. Harte Woche.“ Jessica wollte hinzufügen, dass sie sich vor netten Jungs normalerweise nicht wie ein Zombie benahm, aber irgendwie fehlten ihr die richtigen Worte. „Ich glaube, ich muss bloß was essen.“
„Ich auch.“
Jonathan stülpte seine Lunchtüte um, so dass sich der Inhalt über den Tisch verteilte. Ein Apfel rollte gefährlich nah an die Tischkante, er achtete aber nicht darauf. Kurz bevor er zu Boden fallen musste, blieb der Apfel liegen. Jessica zog eine Augenbraue hoch, als sie sah, wie viel Essen er dabeihatte. Da lagen drei Sandwichs, eine Tüte Chips, eine Banane und ein Joghurt, dazu der abtrünnige Apfel.
Jonathan war dünn wie eine Bohnenstange. Eine hungrige Bohnenstange. Er schnappte sich ein Sandwich von dem Berg, riss die Plastikfolie herunter und biss herzhaft hinein.
Jessica sah sich ihre eigene Mahlzeit an. Wie immer hatte sich Dad gestern Abend gelangweilt und etwas Kompliziertes kreiert. Geriebener Käse, Hackfleisch, Schnittsalat und Tomaten füllten jeweils ein eigenes Segment in einer geteilten Frischhaltebox. Mehrere knackige Tacoschalen schimmerten unter dem Deckel einer zweiten Box. Die Tacos waren bereits kaputt. Jess seufzte und öffnete die Boxen, warf alle Zutaten zusammen und fing an, sie miteinander zu mischen.
„Lecker, Tacosalat“, sagte Jonathan. „Riecht gut.“
Jessica nickte. Der würzige Duft des Fleisches hatte dem Gestank in der Cafeteria die Schärfe genommen. „Mein Dad hat ein Faible für die Küche im Südwesten entdeckt.“
„Besser als Sandwichs.“
„Das da sieht gut aus.“
„Erdnussbutter auf Bananenbrot.“
„Erdnussbutter auf Bananenbrot? Alles drei? Damit … spart man Zeit, schätze ich.“
„Man muss die Bananen nicht schneiden. Ich schaffe es nie, früh genug aufzustehen, um irgendwas Tolles zu machen.“
„Aber gleich drei?“, fragte sie.
Er zuckte mit den Schultern. „Das ist nichts. Es gibt Vögel, die essen pro Stunde ihr eigenes Körpergewicht.“
„Sorry, aber ich kann an dir keine Federn entdecken.“
Jonathan grinste. Er sah verschlafen aus. Seine Augen gingen nie ganz auf, aber sie blitzten, wenn er lächelte. „He, wenn ich nicht genug Kalorien kriege, bin ich es, der umfällt.“ Er riss das zweite Sandwich auf und nahm einen großen Bissen, als ob er von dem vielen Reden ins Hintertreffen geraten wäre.
„Da fällt mir was ein“, sagte Jessica. „Danke, dass du mich gerettet hast. Das wäre eine gelungene Einlage geworden, wenn ich mich in meiner ersten Woche vor der ganzen Schule auf die Nase gelegt hätte.“
„Kann man immer auf das Wasser in Bixby schieben.“
Jessicas Gabel blieb wenige Zentimeter vor ihrem Mund in der Luft hängen. „Du magst es auch nicht?“
„Ich bin vor über zwei Jahren hierhergezogen, und ich kann es immer noch nicht trinken.“ Jonathan schüttelte sich.
Jessica spürte, wie das Nervenknäuel in ihrem Bauch ein bisschen locker ließ. Sie hatte angefangen zu glauben, alle außer ihr wären in dieser Stadt geboren und aufgewachsen und sie die erste Außenseiterin, die sie zu Gesicht bekämen. Jonathan war an diesem seltsamen Ort aber auch ein Fremder.
„Von wo bist du hergezogen?“, fragte sie.
„Philadelphia. Na ja, jedenfalls aus der direkten Umgebung.“
„Ich komme aus Chicago.“
„Hab ich gehört.“
„Ach ja, richtig. Jeder weiß alles über die Neue.“
Er lächelte, zuckte mit den Schultern. „Nicht alles.“
Jessica lächelte zurück. Sie aßen eine Weile schweigend, ohne den Lärm der Cafeteria um sich herum wahrzunehmen. Ihr Tacosalat schmeckte wirklich lecker, nachdem sie damit angefangen hatte. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn man einen Hausmann zum Vater hatte. Und Jonathan wirkte irgendwie beruhigend, wie er seine Sandwichs vernichtete. Jessica fühlte sich endlich mal richtig wohl in Bixby. Sie fühlte sich … normal.
„Sag mal, Jonathan“, meinte sie nach ein paar Minuten, „kann ich dich was fragen?“
„Klar.“
„Als du neu hierhergekommen bist, ist dir Bixby da irgendwie seltsam vorgekommen?“
Jonathan kaute nachdenklich.
„Ich finde immer noch, dass
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