Die Erzaehlungen 1900-1906
für diese Zeit einen Wagen und einen guten Lohndiener haben
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will.
Der Wirt kam selber und empfahl einen Diener, für dessen Redlichkeit er
sich verbürgte. Auch besorgte er einen offenen Mietwagen, da andere nicht zu haben waren.
Am folgenden Tage gab Casanova seine Briefe an die Herren Orelli und
Pestalozzi persönlich ab. Sie waren nicht zu Hause, machten ihm aber beide
nach Mittag einen Besuch im Hotel und luden ihn für morgen und übermorgen
zu Tisch und für heute abend ins Konzert ein. Er sagte zu und fand sich
rechtzeitig ein.
Das Konzert, das einen Taler Eintrittsgeld kostete, gefiel ihm gar nicht.
Namentlich mißfiel ihm die langweilige Einrichtung, daß Männer und Frauen
abgesondert je in einem Teil des Saales saßen. Sein scharfes Auge entdeckte
unter den Damen mehrere Schönheiten, und er begriff nicht, warum die Sitte
ihm verbiete, ihnen den Hof zu machen. Nach dem Konzert wurde er den
Frauen und Töchtern der Herren vorgestellt und fand besonders in Fräulein
Pestalozzi eine überaus hübsche und liebenswürdige Dame. Doch enthielt er
sich jeder leichtfertigen Galanterie.
Obwohl ihm dies Benehmen nicht ganz leicht fiel, schmeichelte es doch seiner Eitelkeit. Er war seinen neuen Freunden in den Briefen des Abtes als ein
bekehrter Mann und angehender Büßer vorgestellt worden und er merkte,
daß man ihn mit fast ehrerbietiger Achtung behandelte, obwohl er meist mit
Protestanten verkehrte. Diese Achtung tat ihm wohl und ersetzte ihm teilweise das Vergnügen, das er seinem ernsten Auftreten opfern mußte.
Und dieses Auftreten gelang ihm so gut, daß er bald sogar auf der Straße
mit einer gewissen Ehrerbietung gegrüßt wurde. Ein Geruch von Askese und
Heiligkeit umwehte den merkwürdigen Mann, dessen Leumund so wechselnd
war wie sein Leben.
Immerhin konnte er es sich nicht versagen, vor seinem Rücktritt aus dem
Weltleben dem Herzog von Württemberg noch einen unverschämt gesalzenen
Brief zu schreiben. Das wußte ja niemand. Und es wußte auch niemand, daß
er manchmal im Schutz der Dunkelheit abends ein Haus aufsuchte, in dem
weder Mönche wohnten noch Psalmen gesungen wurden.
IV
Die Vormittage widmete der fromme Herr Chevalier dem Studium der deut-
schen Sprache. Er hatte einen armen Teufel von der Straße aufgelesen, einen
Genuesen namens Giustiniani. Der saß nun täglich in den Morgenstunden bei
Casanova und brachte ihm Deutsch bei, wofür er jedesmal sechs Franken Ho-
norar bekam.
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Dieser entgleiste Mann, dem sein reicher Schüler übrigens die Adresse jenes
Hauses verdankte, unterhielt seinen Gönner hauptsächlich dadurch, daß er
über Mönchtum und Klosterleben in allen Tonarten schimpfte und lästerte.
Er wußte nicht, daß sein Schüler im Begriffe stand, Benediktinerbruder zu
werden, sonst wäre er zweifellos vorsichtiger gewesen. Casanova nahm ihm
jedoch nichts übel. Der Genuese war vor Zeiten Kapuzinermönch gewesen
und der Kutte wieder entschlüpft. Nun fand der merkwürdige Bekehrte ein
Vergnügen darin, den armen Kerl seine klosterfeindlichen Ergüsse vortragen
zu lassen.
Es gibt aber doch auch gute Leute unter den Mönchen , wandte er etwa
einmal ein.
Sagen Sie das nicht! Keinen gibt es, keinen einzigen! Sie sind ohne Aus-
nahme Tagdiebe und faule Bäuche.
Sein Schüler hörte lachend zu und freute sich auf den Augenblick, in dem
er das Lästermaul durch die Nachricht von seiner bevorstehenden Einkleidung
verblüffen würde.
Immerhin begann ihm bei dieser stillen Lebensweise die Zeit etwas lang zu
werden, und er zählte die Tage bis zum vermutlichen Eintreffen des Abtes
mit Ungeduld. Nachher, wenn er dann im Klosterfrieden säße und in Ruhe
seinem Studium obläge, würden Langeweile und Unrast ihn schon verlassen.
Er plante eine Homerübersetzung, ein Lustspiel und eine Geschichte Venedigs
und hatte, um einstweilen doch etwas in diesen Sachen zu tun, bereits einen
starken Posten gutes Schreibpapier gekauft.
So verging ihm die Zeit zwar langsam und unlustig, aber sie verging doch,
und am Morgen des 23. April stellte er aufatmend fest, daß dies sein letzter Wartetag sein sollte, denn andern Tages stand die Ankunft des Abtes bevor.
Er schloß sich ein und prüfte noch einmal seine weltlichen wie geistlichen
Angelegenheiten, bereitete auch das Einpacken seiner Sachen vor und freute
sich, endlich dicht vor dem Beginn eines neuen, friedlichen Lebens zu stehen.
An seiner Aufnahme in Maria-Einsiedeln zweifelte er
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