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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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für diese Zeit einen Wagen und einen guten Lohndiener haben
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    will.
    Der Wirt kam selber und empfahl einen Diener, für dessen Redlichkeit er
    sich verbürgte. Auch besorgte er einen offenen Mietwagen, da andere nicht zu haben waren.
    Am folgenden Tage gab Casanova seine Briefe an die Herren Orelli und
    Pestalozzi persönlich ab. Sie waren nicht zu Hause, machten ihm aber beide
    nach Mittag einen Besuch im Hotel und luden ihn für morgen und übermorgen
    zu Tisch und für heute abend ins Konzert ein. Er sagte zu und fand sich
    rechtzeitig ein.
    Das Konzert, das einen Taler Eintrittsgeld kostete, gefiel ihm gar nicht.
    Namentlich mißfiel ihm die langweilige Einrichtung, daß Männer und Frauen
    abgesondert je in einem Teil des Saales saßen. Sein scharfes Auge entdeckte
    unter den Damen mehrere Schönheiten, und er begriff nicht, warum die Sitte
    ihm verbiete, ihnen den Hof zu machen. Nach dem Konzert wurde er den
    Frauen und Töchtern der Herren vorgestellt und fand besonders in Fräulein
    Pestalozzi eine überaus hübsche und liebenswürdige Dame. Doch enthielt er
    sich jeder leichtfertigen Galanterie.
    Obwohl ihm dies Benehmen nicht ganz leicht fiel, schmeichelte es doch seiner Eitelkeit. Er war seinen neuen Freunden in den Briefen des Abtes als ein
    bekehrter Mann und angehender Büßer vorgestellt worden und er merkte,
    daß man ihn mit fast ehrerbietiger Achtung behandelte, obwohl er meist mit
    Protestanten verkehrte. Diese Achtung tat ihm wohl und ersetzte ihm teilweise das Vergnügen, das er seinem ernsten Auftreten opfern mußte.
    Und dieses Auftreten gelang ihm so gut, daß er bald sogar auf der Straße
    mit einer gewissen Ehrerbietung gegrüßt wurde. Ein Geruch von Askese und
    Heiligkeit umwehte den merkwürdigen Mann, dessen Leumund so wechselnd
    war wie sein Leben.
    Immerhin konnte er es sich nicht versagen, vor seinem Rücktritt aus dem
    Weltleben dem Herzog von Württemberg noch einen unverschämt gesalzenen
    Brief zu schreiben. Das wußte ja niemand. Und es wußte auch niemand, daß
    er manchmal im Schutz der Dunkelheit abends ein Haus aufsuchte, in dem
    weder Mönche wohnten noch Psalmen gesungen wurden.
    IV
    Die Vormittage widmete der fromme Herr Chevalier dem Studium der deut-
    schen Sprache. Er hatte einen armen Teufel von der Straße aufgelesen, einen
    Genuesen namens Giustiniani. Der saß nun täglich in den Morgenstunden bei
    Casanova und brachte ihm Deutsch bei, wofür er jedesmal sechs Franken Ho-
    norar bekam.
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    Dieser entgleiste Mann, dem sein reicher Schüler übrigens die Adresse jenes
    Hauses verdankte, unterhielt seinen Gönner hauptsächlich dadurch, daß er
    über Mönchtum und Klosterleben in allen Tonarten schimpfte und lästerte.
    Er wußte nicht, daß sein Schüler im Begriffe stand, Benediktinerbruder zu
    werden, sonst wäre er zweifellos vorsichtiger gewesen. Casanova nahm ihm
    jedoch nichts übel. Der Genuese war vor Zeiten Kapuzinermönch gewesen
    und der Kutte wieder entschlüpft. Nun fand der merkwürdige Bekehrte ein
    Vergnügen darin, den armen Kerl seine klosterfeindlichen Ergüsse vortragen
    zu lassen.
    Es gibt aber doch auch gute Leute unter den Mönchen , wandte er etwa
    einmal ein.
    Sagen Sie das nicht! Keinen gibt es, keinen einzigen! Sie sind ohne Aus-
    nahme Tagdiebe und faule Bäuche.
    Sein Schüler hörte lachend zu und freute sich auf den Augenblick, in dem
    er das Lästermaul durch die Nachricht von seiner bevorstehenden Einkleidung
    verblüffen würde.
    Immerhin begann ihm bei dieser stillen Lebensweise die Zeit etwas lang zu
    werden, und er zählte die Tage bis zum vermutlichen Eintreffen des Abtes
    mit Ungeduld. Nachher, wenn er dann im Klosterfrieden säße und in Ruhe
    seinem Studium obläge, würden Langeweile und Unrast ihn schon verlassen.
    Er plante eine Homerübersetzung, ein Lustspiel und eine Geschichte Venedigs
    und hatte, um einstweilen doch etwas in diesen Sachen zu tun, bereits einen
    starken Posten gutes Schreibpapier gekauft.
    So verging ihm die Zeit zwar langsam und unlustig, aber sie verging doch,
    und am Morgen des 23. April stellte er aufatmend fest, daß dies sein letzter Wartetag sein sollte, denn andern Tages stand die Ankunft des Abtes bevor.
    Er schloß sich ein und prüfte noch einmal seine weltlichen wie geistlichen
    Angelegenheiten, bereitete auch das Einpacken seiner Sachen vor und freute
    sich, endlich dicht vor dem Beginn eines neuen, friedlichen Lebens zu stehen.
    An seiner Aufnahme in Maria-Einsiedeln zweifelte er

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