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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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zu stören. Sein Leben war gewagt und oft liederlich gewesen, das gab er sich selber zu, aber nun er es so im Ganzen überblickte, war es doch ohne Zweifel ein hübsch buntes, flottes
    und lohnendes Spiel gewesen, an dem man Freude haben konnte.
    Indessen führte ihn, da er anfing ein wenig zu ermüden, der Weg in ein
    breites Tal zwischen hohen Bergen. Eine große, prächtige Kirche stand da, an die sich weitläufige Gebäude anschlossen. Erstaunt bemerkte er, daß das ein
    Kloster sein müsse, und freute sich, unvermutet in eine katholische Gegend
    gekommen zu sein.
    Er trat entblößten Hauptes in die Kirche und nahm mit zunehmender Ver-
    wunderung Marmor, Gold und kostbare Stickereien wahr. Es wurde eben die
    letzte Messe gelesen, die er mit Andacht anhörte. Darauf begab er sich neu-
    gierig in die Sakristei, wo er eine Anzahl Benediktinermönche sah. Der Abt,
    erkenntlich durch das Kreuz vor der Brust, war dabei und erwiderte den Gruß
    des Fremden durch die höfliche Frage, ob er die Sehenswürdigkeiten der Kirche betrachten wolle.
    Gern nahm Casanova an und wurde vom Abte selbst in Begleitung zweier
    Brüder umhergeführt und sah alle Kostbarkeiten und Heiligtümer mit der
    diskreten Neugier des gebildeten Reisenden an, ließ sich die Geschichte und
    Legenden der Kirche erzählen und war nur dadurch ein wenig in Verlegenheit
    gebracht, daß er nicht wußte, wo er eigentlich sei und wie Ort und Kloster
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    heiße.
    Wo sind Sie denn abgestiegen?
    fragte schließlich der Abt.
    Nirgends, Hochwürden. Zu Fuß von Zürich her angekommen, trat ich so-
    gleich in die Kirche.
    Der Abt, über den frommen Eifer des Wallfahrers entzückt, lud ihn zu
    Tisch, was jener dankbar annahm. Nun, da der Abt ihn für einen bußfahren-
    den Sünder hielt, der weite Wege gemacht, um hier Trost zu finden, konnte
    Casanova vollends nicht mehr fragen, wo er sich denn befinde. Übrigens sprach er mit dem geistlichen Herrn, da es mit dem Deutschen nicht so recht gehen
    wollte, lateinisch.
    Unsere Brüder haben Fastenzeit , fuhr der Abt fort,
    da habe ich ein
    Privileg vom heiligen Vater Benedikt dem Vierzehnten, das mir gestattet,
    täglich mit drei Gästen auch Fleischspeisen zu essen. Wollen Sie gleich mir
    von dem Privilegium Gebrauch machen, oder ziehen Sie es vor zu fasten?
    Es liegt mir fern, hochwürdiger Herr, von der Erlaubnis des Papstes wie
    auch von Ihrer gütigen Einladung keinen Gebrauch zu machen. Es möchte
    arrogant aussehen.
    Also speisen wir!
    Im Speisezimmer des Abtes hing wirklich jenes päpstliche Breve unter Glas
    gerahmt an der Wand. Es waren zwei Couverts aufgelegt, zu denen ein Be-
    dienter in Livree sogleich ein drittes fügte.
    Wir speisen zu dreien, Sie, ich und mein Kanzler. Da kommt er ja eben.
    Sie haben einen Kanzler?
    Ja. Als Abt von Maria-Einsiedeln bin ich Fürst des römischen Reiches und
    habe die Verpflichtungen eines solchen.
    Endlich wußte also der Gast, wo er hingeraten sei, und freute sich, das
    weltberühmte Kloster unter so besonderen Umständen und ganz unverhofft
    kennengelernt zu haben. Indessen nahm man Platz und begann zu tafeln.
    Sie sind Ausländer?
    fragte der Abt.
    Wenetianer, doch schon seit längerer Zeit auf Reisen.
    Daß er verbannt sei, brauchte er ja einstweilen nicht zu erzählen.
    Und reisen Sie weiter durch die Schweiz? Dann bin ich gerne bereit, Ihnen
    einige Empfehlungen mitzugeben.
    Ich nehme das dankbar an. Ehe ich jedoch weiterreise, wäre es mein
    Wunsch, eine vertraute Unterredung mit Ihnen haben zu dürfen. Ich möchte
    Ihnen beichten und Ihren Rat über manches, was mein Gewissen beschwert,
    erbitten.
    Ich werde nachher zu Ihrer Verfügung stehen. Es hat Gott gefallen, Ihr
    Herz zu erwecken, so wird er auch Frieden für das Herz haben. Der Menschen
    Wege sind vielerlei, doch sind nur wenige so weit verirrt, daß ihnen nicht
    mehr zu helfen wäre. Wahre Reue ist das erste Erfordernis der Umkehr, wenn
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    auch die echte, gottgefällige Zerknirschung noch nicht im Zustand der Sünde, sondern erst in dem der Gnade eintreten kann.
    So redete er eine Weile weiter, während Casanova sich mit Speise und Wein
    bediente. Als er schwieg, nahm jener wieder das Wort.
    Verzeihen Sie meine Neugierde, Hochwürdiger, aber wie machen Sie es
    möglich, um diese Jahreszeit so vortreffliches Wild zu haben?
    Nicht wahr? Ich habe dafür ein Rezept. Wild und Geflügel, die Sie hier
    sehen, sind sämtlich sechs Monate alt.
    Ist es möglich?
    Ich habe eine Einrichtung, mittels der ich

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