Die Erzaehlungen 1900-1906
Sakramen-
tes würdig erklärten.
Jetzt wurde ihm ein Zimmer angewiesen, damit er die Zeit bis morgen in
frommer Betrachtung ungestört verbringen könnte. Den Rest des Tages ver-
wendete er dazu, sich den Gedanken ans Mönchwerden zu überlegen. So sehr er
Stimmungsmensch und rasch im Ja- oder Neinsagen war, hatte er doch zuviel
Selbsterkenntnis und viel zu viel rechnende Klugheit, um sich nicht voreilig die Hände zu binden und des Verfügungsrechts über sein Leben zu begeben.
Er malte sich also sein zukünftiges Mönchsdasein bis in alle Einzelheiten
aus und entwarf einen Plan, um sich für jeden möglichen Fall einer Reue oder Enttäuschung offene Tür zu halten. Den Plan wandte und drehte er um und
um, bis er ihm vollkommen erschien, und dann brachte er ihn sorgfältig zu
Papier.
In diesem Schriftstück erklärte er sich bereit, als Novize in das Kloster
Maria-Einsiedeln zu treten. Um jedoch Zeit zur Selbstprüfung und zum et-
waigen Rücktritt zu behalten, erbat er ein zehnjähriges Noviziat. Damit man
ihm diese ungewöhnlich lange Frist gewähre, hinterlegte er ein Kapital von
zehntausend Franken, das nach seinem Tode oder Wiederaustritt aus dem Or-
den dem Kloster zufallen sollte. Ferner erbat er sich die Erlaubnis, Bücher
jeder Art auf eigene Kosten zu erwerben und in seiner Zelle zu haben; auch
diese Bücher sollten nach seinem Tode Eigentum des Klosters werden.
Nach einem Dankgebet für seine Bekehrung legte er sich nieder und schlief
gut und fest als einer, dessen Gewissen rein wie Schnee und leicht wie eine
Feder ist. Und am Morgen nahm er in der Kirche die Kommunion.
Der Abt hatte ihn zur Schokolade eingeladen. Bei dieser Gelegenheit über-
gab Casanova ihm sein Schriftstück mit der Bitte um eine günstige Antwort.
Jener las das Gesuch sogleich, beglückwünschte den Gast zu seinem Ent-
schluß und versprach, ihm nach Tisch Antwort zu geben.
Finden Sie meine Bedingungen zu selbstsüchtig?
O nein, Herr Chevalier, ich denke, wir werden wohl einig werden. Mich
persönlich würde das aufrichtig freuen. Doch muß ich Ihr Gesuch zuvor dem
Konvent vorlegen.
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Das ist nicht mehr als billig. Darf ich Sie bitten, meine Eingabe freundlich zu befürworten?
Mit Vergnügen. Also auf Wiedersehn bei Tische!
Der Weltflüchtige machte nochmals einen Gang durchs Kloster, sah sich die
Brüder an, inspizierte einige Zellen und fand alles nach seinem Herzen. Freudig lustwandelte er durch Einsiedeln, sah Wallfahrer mit einer Fahne einziehen
und Fremde in Züricher Mietwagen abreisen, hörte nochmals eine Messe und
steckte einen Taler in die Almosenbüchse.
Während der Mittagstafel, die ihm diesmal ganz besonders durch vorzüg-
liche Rheinweine Eindruck machte, fragte er, wie es mit seinen Angelegenhei-
ten stehe.
Seien Sie ohne Sorge , meinte der Abt,
obwohl ich Ihnen im Augenblick
noch keine entscheidende Antwort habe. Der Konvent will noch Bedenkzeit.
Glauben Sie, daß ich aufgenommen werde?
Ohne Zweifel.
Und was soll ich inzwischen tun?
Was Sie wollen. Gehen Sie nach Zürich zurück und erwarten Sie dort unsere
Antwort, die ich Ihnen übrigens persönlich bringen werde. Heut über vierzehn Tage muß ich ohnehin in die Stadt, dann suche ich Sie auf, und wahrscheinlich werden Sie dann sogleich mit mir hierher zurückkehren können. Paßt Ihnen
das?
Vortrefflich. Also heut über vierzehn Tage. Ich wohne im Schwert. Man
ißt dort recht gut; wollen Sie dann zu Mittag mein Gast sein?
Sehr gerne.
Aber wie komme ich heute nach Zürich zurück? Sind irgendwo Wagen zu
haben?
Sie fahren nach Tisch in meiner Reisekutsche.
Das ist allzuviel Güte. –
Lassen Sie doch! Es ist schon Auftrag gegeben. Sehen Sie lieber zu, sich
noch ordentlich zu stärken. Vielleicht noch ein Stückchen Kalbsbraten?
Kaum war die Mahlzeit beendet, so fuhr des Abtes Wagen vor. Ehe der Gast
einstieg, gab ihm jener noch zwei versiegelte Briefe an einflußreiche Züricher Herren mit. Herzlich nahm Casanova von dem gastfreien Herrn Abschied, und
mit dankbaren Gefühlen fuhr er in dem sehr bequemen Wagen durch das
lachende Land und am See entlang nach Zürich zurück.
Als er vor seinem Gasthaus vorfuhr, empfing ihn der Diener Leduc mit
unverhohlenem Grinsen.
Was lachst du?
Na, es freut mich nur, daß Sie in dieser fremden Stadt schon Gelegenheit
gefunden haben, sich volle zwei Tage außer dem Haus zu amüsieren.
Dummes Zeug. Geh jetzt und sag dem Wirt, daß ich vierzehn Tage hier
bleibe und
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