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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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ab.
    Vorwärts!
    Er brauchte nicht lange zu warten. Die Kellnerschürze über der Goldweste
    umgebunden, betrat er das Zimmer der Fremden.
    Ist’s gefällig, meine Damen?
    Die Amazone hatte ihn erkannt und schien vor Verwunderung starr. Er
    servierte tadellos und hatte Gelegenheit, sie genau zu betrachten und immer
    schöner zu finden. Als er einen Kapaun künstlerisch tranchierte, sagte sie
    lächelnd:
    Sie servieren gut. Dienen Sie schon lange hier?
    Sie sind gütig, darnach zu fragen. Erst drei Wochen.
    Als er ihr nun vorlegte, bemerkte sie seine zurückgeschlagenen, aber noch
    sichtbaren Manschetten. Sie stellte fest, daß es echte Spitzen seien, berührte seine Hand und befühlte die feinen Spitzen. Er war selig.
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    Laß das doch!
    rief eine der älteren Frauen tadelnd, und sie errötete. Sie
    errötete! Kaum konnte Casanova sich halten.
    Nach der Mahlzeit blieb er, so lange er irgendeinen Vorwand dazu fand, im
    Zimmer. Die drei Alten zogen sich ins Schlafkabinett zurück, die Schöne aber blieb da, setzte sich wieder und fing zu schreiben an.
    Er war endlich mit dem Aufräumen fertig und mußte schlechterdings gehen.
    Doch zögerte er in der Türe.
    Auf was warten Sie noch?
    fragte die Amazone.
    Gnädige Frau, Sie haben die Stiefel noch an und werden schwerlich mit
    ihnen zu Bett gehen wollen.
    Ach so, Sie wollen sie ausziehen? Machen Sie sich nicht so viel Mühe mit
    mir!
    Das ist mein Beruf, gnädige Frau.
    Er kniete vor ihr auf den Boden und zog ihr, während sie scheinbar weiter-
    schrieb, die Schnürsenkel auf, langsam und sorglich.
    Es ist gut. Genug, genug! Danke.
    Ich danke vielmehr Ihnen.
    Morgen abend sehen wir uns ja wieder, Herr Kellner.
    Sie speisen wieder hier?
    Gewiß. Wir werden vor Abend von Einsiedeln zurück sein.
    Danke, gnädige Frau.
    Also gute Nacht, Kellner.
    Gute Nacht, Madame. Soll ich die Stubentür schließen oder auflassen?
    Ich schließe selbst.
    Das tat sie denn auch, als er draußen war, wo ihn Leduc mit ungeheurem
    Grinsen erwartete.
    Nun?
    sagte sein Herr.
    Sie haben Ihre Rolle großartig gespielt. Die Dame wird Ihnen morgen einen
    Dukaten Trinkgeld geben. Wenn Sie mir aber den nicht überlassen, verrate ich die ganze Geschichte.
    Du kriegst ihn schon heute, Scheusal.
    Am folgenden Morgen fand er sich rechtzeitig mit den geputzten Stiefeln
    wieder ein. Doch erreichte er nicht mehr, als daß die Amazone sich diese wieder von ihm anziehen ließ.
    Er schwankte, ob er ihr nicht nach Einsiedeln nachfahren sollte. Doch kam
    gleich darauf ein Lohndiener mit der Nachricht, der Herr Abt sei in Zürich
    und werde sich die Ehre geben, um zwölf Uhr mit dem Herrn Chevalier allein
    auf seinem Zimmer zu speisen.
    Herrgott, der Abt! An den hatte der gute Casanova nicht mehr gedacht.
    Nun, mochte er kommen. Er bestellte ein höchst luxuriöses Mahl, zu dem er
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    selber in der Küche einige Anweisungen gab. Dann legte er sich, da er vom
    Frühaufstehen müde war, noch zwei Stunden aufs Bett und schlief.
    Am Mittag kam der Abt. Es wurden Höflichkeiten gewechselt und Grüße
    ausgerichtet, dann setzten sich beide zu Tisch. Der Prälat war über die prächtige Tafel entzückt und vergaß über den guten Platten für eine halbe Stunde
    ganz seine Aufträge. Endlich fielen sie ihm wieder ein.
    Verzeihen Sie , sagte er plötzlich,
    daß ich Sie so ungebührlich lange in
    der Spannung ließ! Ich weiß gar nicht, wie ich das so lang vergessen konnte.
    O bitte.
    Nach allem, was ich in Zürich über Sie hörte – ich habe mich begreiflicher-
    weise ein wenig erkundigt –, sind Sie wirklich durchaus würdig, unser Bruder zu werden. Ich heiße Sie willkommen, lieber Herr, herzlichst willkommen. Sie können nun über Ihre Tür schreiben: Inveni portum. Spes et fortuna valete!
    Zu deutsch: Lebe wohl, Glücksgöttin; ich bin im Hafen! Der Vers stammt
    aus Euripides und ist wirklich sehr schön, wenn auch in meinem Falle nicht
    ganz passend.
    Nicht passend? Sie sind zu spitzfindig.
    Der Vers, Hochwürden, paßt nicht auf mich, weil ich nicht mit Ihnen nach
    Einsiedeln kommen werde. Ich habe gestern meinen Vorsatz geändert.
    Ist es möglich?
    Es scheint so. Ich bitte Sie, mir das nicht übel zu nehmen und in aller
    Freundschaft noch dies Glas Champagner mit mir zu leeren.
    Auf Ihr Wohl denn! Möge Ihr Entschluß Sie niemals reuen! Das Weltleben
    hat auch seine Vorzüge.
    Die hat es, ja.
    Der freundliche Abt empfahl sich nach einer Weile und fuhr in seiner Equi-
    page davon. Casanova aber schrieb

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