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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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und holte
    sich ein Becken voll Kohlen und einen Arm voll Holz herauf. Das wiederholte
    er am Nachmittag und acht Tage lang täglich zweimal, bis an einem Abend,
    während es im Ofen knallte und krachte, Frau Eiselein in die Stube trat.
    Du bist wohl verrückt , sagte sie und deutete auf den glühenden Ofen.
    So heizen kann man zur Not bei zehn Grad Frost. Das ist auch so eine Stu-
    dentenmode. Du weißt wahrscheinlich nicht, was die Kohlen kosten? Drunten
    müssen wir jeden Pfennig sauer verdienen und du verbrennst das Zeug da
    gleich zentnerweise.
    Karl Eugen war aufgestanden und blickte scheu herüber.
    Ungesund ist die übertriebene Heizerei auch noch , fuhr sie fort.
    Frieren
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    sollst du nicht, aber auch nicht das Dreifache verbrennen wie andere Leute.
    Künftig findest du jeden Morgen ein Becken voll Kohlen und das nötige Holz
    dazu parat gemacht. Damit kommst du aus, wenn du Vernunft hast. Das
    Selberholen muß aber aufhören.
    Des Sohnes Vorstellungen waren erfolglos und er blieb schmollend in seiner
    Stube. Vierzehn Tage lang behalf er sich mit dem zugemessenen Vorrat; da er
    aber die Gewohnheit hatte, zu überheizen und weit in die Nacht hinein lesend aufzubleiben, reichte er bald damit nicht mehr aus. Morgens einmal, als er
    noch das ganze Haus schlafend glaubte, stand er fröstelnd auf und schlich
    in den Keller, fand aber zu seinem nicht geringen Ärger und Schrecken den
    Kohleverschlag wohlverschlossen. Noch größer war seine Verlegenheit, als er
    beim Hinaufsteigen in der Tür die Mutter stehen sah, die ihm guten Morgen
    wünschte.
    Machst dir ein bißchen Bewegung?
    rief sie lächelnd.
    Ja, ja, Frühauf-
    stehen ist gesund.
    Du, Mutter , sagte er flehend,
    mit dem Bißchen komm ich nicht aus.
    Leg ein paar Schaufeln zu!
    Tut mir leid , war die Antwort,
    tut mir leid, junger Herr. Wer nichts ver-
    dient, muß wenigstens sparen können. Wenn du aber durchaus mehr brauchst,
    so weißt du ja den Weg in den Wald, wo du als Bub schon oft genug Tannen-
    zapfen aufgelesen hast. Wenn du jeden Morgen so zeitig aufstehst wie heute
    und statt in den Keller in den Wald gehst, kannst du leicht einen Korb voll
    oder zwei zusammenbringen. Arme Leute heizen mit nichts anderem.
    Am nächsten Morgen blieb er zum Trotz recht lange im Bett liegen. Am
    übernächsten stand er in der Frühe leise auf, nahm einen Sack mit und ging
    in den Wald. Das Lesen kam ihm schrecklich mühsam vor, nach einer guten
    Stunde war der Sack aber voll und er konnte ihn noch heimtragen, ehe die
    Gassen sich belebten. Von da an ging er täglich und die Mutter tat, als nehme sie keine Notiz davon. Bald kannte er im Walde die guten Reviere, vermied die Kiefernwälder und die jungen Bestände und hielt sich an den alten Tannenforst, wo das dichte Moos voll Zapfen lag. Dabei wurde er immer so warm, daß er nachher kaum mehr zu heizen brauchte. Die harsche Herbstmorgenluft tat
    ihm sichtlich gut und allmählich lernte er, zum erstenmal seit seiner Schulbu-benzeit, auch wieder ein Auge auf das Waldleben zu haben. Ersah die Sonne
    aus dem Nebel steigen, gewöhnte sich daran, aufs Wetter zu achten, jagte bald einen Hasen, bald ein Wildhuhn aus dem Schlaf, und da er doch einmal mit
    den verdammten Zapfen zu tun hatte, lernte er sie allmählich nach Form und
    Herkunft kennen und die dunklen harzreichen von den leichten und dürren,
    die der Weißtannen von den rottannenen unterscheiden. Anfangs verbarg er
    sich, sooft ein armes Weiblein, ein Forsthüter oder Bauer daherkam, nach und nach wurde er weniger scheu und schließlich trug er im Notfall, wenn auch
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    ungern, seinen Sack vor jedermanns Augen heim.
    Es kam ein Tag, noch im November, da gab er seinen letzten, aus den
    üppigen Zeiten her übriggebliebenen Batzen aus. Zaghaft wandte er sich an
    die Mutter um ein wenig Taschengeld.
    Was brauchst du denn?
    fragte sie.
    Du hast doch alles Nötige.
    Nun ja, er brauchte eigentlich nichts, aber man mußte doch für alle Fälle
    ein paar Groschen im Sack haben.
    Ach so.
    Die Mutter nickte.
    Zu einem Glas Bier oder so, nicht wahr? Ist
    ganz recht. Leider hab’ ich für solche Sachen gar nichts übrig – aber wenn dir neben dem Dichten etwa eine Stunde übrigbleibt, kannst du dir ja leicht ein
    bißchen was verdienen. Für den Sack Tannenzapfen, den du mir bringst, geb’
    ich fünfzig Pfennig. Oder wenn du morgen vormittag mit dem Vater Kisten
    packen willst, kannst du auch eine Mark verdienen.
    Er war einverstanden, und wenn er künftig für

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