Die Erziehung - Roman
Gaspard mühte sich vor diesen nicht enden wollenden Besuchen stets stundenlang, sich von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen, sich vor Augen zu führen, was er alles vom Grafen, zu Recht, wie er glaubte, nehmen würde. Er wusste im Voraus, dass die Abende keine Überraschungen boten, nichts als eine Abfolge der immer gleichen Gesten waren, die der Alte fiebrig wiederholte und Gaspard mit angewiderter Erschöpfung über sich ergehen ließ. Jedes Wort, jede Zärtlichkeit steigerte seine Empfindlichkeit, ließ seine Hautoberfläche vor Abscheu erschaudern. Seine Art, nach der Liebe den Schädel auf seine Brust zu legen, sodass Gaspard die Beschaffenheit dieses talgigen Eis studieren konnte, das aussah, als wäre es von einer riesigen Wachtel gelegt worden, die vielen Melaninflecken, wenn er seine schwieligen Finger auf seinen glatten Bauch legte und sagte: »Oh, wie gut das war! Oh, wie ich dich liebe!« Und wie er, wenn er die Gänsehaut bemerkte, die von Gaspards Übelkeit herrührte, ausrief: »Aber dir ist ja kalt, komm, ich will dich zudecken«, und das weiße Laken über sie beide schlug, sodass er mit Gaspard zu verschmelzen schien. Und wie er schließlich mit leicht erstickter Stimme sagte: »Wie wohl mir ist da drunter, wie gut du riechst.« Dann musste Gaspard unweigerlich an seine Mutter denken – dabei war Quimper inzwischen weiter weg als zu jedem anderen Moment seiner Pariser Existenz – und an die Geschichte mit dem Albinosäugling. Ja, er träumte davon, diese Schwangerschaft loszuwerden, die dieses Gewicht auf seiner Brust und seinem Bauch heraufbeschwor, die Stimme des Comte noch mehr zu dämpfen, indem er das Laken tief in seine Kehle stopfte, bis er verstummte und sich sein Gesicht blau verfärbte.
Diese Treffen waren für Gaspard auch die Gelegenheit, sein Benehmen zu vervollkommnen, seine Manieren zu üben und seine Sprache zu bereichern. Er erwies sich als begabter Schüler, und der Comte fiel von einem Entzücken ins andere: »Sehr gut, ganz ausgezeichnet«, ließ ihm jeden Tag Romane und Essays bringen, die er verschlang, um sie bei den Mahlzeiten zu kritisieren oder zu loben. »Wo hast du lesen gelernt?«, fragte ihn der alte Mann eines Abends. Gaspard zuckte die Schultern, erzählte nicht von der Wohnung des alten Lehrers, die in seiner Erinnerung die Höhe einer Kathedrale hatte, vom Geruch einer Schublade und der Helligkeit eines Wintermorgens. Er sprach nicht von den Büchern des Gelehrten mit ihrer dicken Staubschicht, noch von den Regalen, nach denen er sich unter dem gespannten Blick Gaspards reckte.
Er lernte neue Wörter kennen, benutzte Ausdrücke, die in Mode waren, ritt zu Pferde, zeigte sich in Konzerten oder Aufführungen, auf denen man nicht fehlen durfte, gefiel schließlich in der Gesellschaft, die er frequentierte, und begehrte den Einlass in Kreise, deren Türen man ihm noch nicht geöffnet hatte. Etienne de V. tauchte bei den d’Annovres nicht mehr auf. Gaspard versuchte nicht, die Gründe für das Zerwürfnis herauszufinden, das ihm entgegenkam, da der Gedanke, er könnte mit Etienne konfrontiert werden, ihn lange gequält hatte. Die Comtesse d’Annovres bat ihn, sie Georgette zu nennen. Ihre Zweifel waren verflogen, er hatte sie durch seine Manieren eingenommen. Es gab viele junge Leute, die vom Land kamen, zu einem Onkel oder einem Cousin geschickt wurden, damit dieser sich ihrer Erziehung annahm. Sie klopften mit einem Empfehlungsschreiben in der Hand an die Tür dieser entfernten Verwandten, an ihren Fußsohlen klebte noch der Mist, riefen den Damen, die ihnen aus Versehen auf den Fuß traten, zu: »Heda, Madame, wollen Sie mich zum Krüppel machen?«, verstanden nichts von den Künsten noch von den Konventionen, doch promenierten schon wenige Monate später mit der Sicherheit, die ihnen der Militärdienst gab, den Degen am Schenkel und das Kinn gereckt, durch die Pariser Straßen. So waren Gaspards Unsicherheiten nichts Außergewöhnliches, und sie beschloss, darüber zu lachen. Es war für sie, dachte Gaspard, ein wohltätiger Akt, in den Kreis ihrer Stammgäste einen jungen Mann aufzunehmen, dessen Name auf keinen Adel verwies. Ihr eigenes Adelsprädikat begründete ihre Überlegenheit über den Jungen, und er sah in der Vertrautheit, mit der sie ihm begegnete, einen Hauch von Ironie. In Wirklichkeit schätzte es die Comtesse, die Fortschritte ihres Schützlings in der Welt mitzuverfolgen, und nie kamen ihr Zweifel über die Identität des Beschützers. Sie
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