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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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mit lauter Stimme, warf den einen oder anderen wohl kalkulierten Satz ein, der die Anwesenden erheiterte, und dachte: Es ist sicher, ich gefalle ihr . Diese Feststellung löste keine Begeisterung aus, höchstens ein Kitzeln in der Magengegend, ausgelöst von der Gewissheit, ein neues Gebiet erobert zu haben. Der Comte d’Annovres, der neben ihm saß, drückte unter dem Tisch einen Schenkel an seinen. Die Comtesse, etwas weiter weg, ihrer Tochter gegenüber, gab vor, sich auszuruhen, lauschte den Gesprächen, und Gaspard fand es gut zu spüren, wie sehr sich sein Einfluss auf diese Familie in so kurzer Zeit ausgeweitet hatte, gleich einer wuchernden Efeuranke. Er unterstützte seine Blicke durch die Andeutung eines Lächelns. Wie schön sie war! Dieses Mädchen war das genaue Gegenteil des Flusses! Ihre Gesten deuteten an, dass er auf dem richtigen Weg war, steckten die Route ab. Er wusste nicht, was diese Veränderung seiner Beziehung zu Adeline bedeutete, genauso wenig, wie er sie nutzen sollte, aber sie eröffnete neue Möglichkeiten, gab seiner Macht eine neue Gestalt und Gaspard die Kraft, das dürre Bein zu ertragen, durch das sich ihm der Vater des Mädchens durch den dicken Stoff hindurch in Erinnerung rief.
    Mehrmals hintereinander wollten es die Umstände, dass sie unter vier Augen zusammentrafen: ein Spaziergang, auf dem man zu schnell ging, ein Gang in den Garten, der unvermittelt endete, ein Geschäft, das einen Dritten zwang, den Raum zu verlassen. Dann nahmen ihre Gespräche eine eigenartige Wendung. Sie zögerten, wussten nicht, wer von beiden zuerst sprechen sollte, denn oft hatten sie sich nichts zu sagen, schließlich legten sie gemeinsam los, fielen einander ins Wort. Sie stotterten, entschuldigten sich beide gleichzeitig. Gaspard begehrte sie nicht, bemerkte aber das Erwachen eines Hungers bei dem Mädchen, und es gefiel ihm, ihr Verführungsspiel zu befeuern. Bei den Zusammenkünften mit dem Grafen versuchte er mehrmals, sich die Tochter am Platz des Vaters vorzustellen. Auch wenn der runzelige Körper des Comte diese Imagination nicht gerade leicht machte, gelang es ihm, sich auszumalen, es sei Adeline, die seine Hülle bewohnte, und dachte an ihren zarten Körper, ihre vollen Formen. Er empfand nichts dabei. Weder mehr noch weniger Reiz. Weder mehr noch weniger Betroffenheit. Weder mehr noch weniger Zorn, Rachelust. Eigenartigerweise war es einmal bei einer dieser Übertragungen, dass er den Entschluss fasste, frischen Wind in die Monotonie dieses Zustands zu bringen.
    Denn die Langeweile hatte sich über ihn gelegt, ein warmer, flaumiger Flügel, der ihn zu ersticken drohte. Manchmal, wenn Gaspard im Salon der d’Annovres oder in seiner Wohnung vor sich hin dämmerte, sah er alles, was ihn umgab, aus einer Distanz, von einer einlullenden Stimme oder dem Knacken der Holzscheite im Feuer in die Ferne gerückt: eine Tapete, das Arrangement einer Perücke, eine in ein Ohr geflüsterte Anekdote, alles bekam eine unwirkliche Dimension. Was gewöhnlich ein beruhigendes Ganzes formte, teilte sich auf in Lappalien, von denen jede einzelne Überdruss ausstrahlte. Mit seinem Kopf, der von der Mattigkeit dröhnte, fand er keinen Charme mehr in dem nach seinem eigenen Geschmack dekorierten Salon. Er sah keinen Reiz mehr in den Diners, die bei den d’Annovres aufeinanderfolgten, ohne dass man sie voneinander unterscheiden konnte. In diesen Augenblicken erinnerte sich Gaspard nicht mehr daran, dass er sie einst um ihre soziale Stellung beneidet hatte. Irgendwo in den Mäandern seines Geistes schien es gar, dass das Leben in den Pariser Straßen wenigstens den Vorteil hatte, weniger eintönig zu sein. Es war keine Gewissheit, seine Erinnerungen entzogen sich ihm stets, wenn er sie herzuholen suchte, er hatte von jener Ziellosigkeit nur kurze Augenblicke zurückbehalten – wie sein Körper an Emmas geschmiegt war zum Beispiel –, die nun ganze Wochen, Monate zu umfassen schienen. Er hatte die Verzweiflung nicht vergessen, die er verspürt hatte, doch war sie nicht mehr fassbar. Sein Geist schob sie beiseite und ließ, wenn er an dieses Leben dachte, Bilder an die Oberfläche seines Bewusstseins steigen, von denen er nicht sicher war, ob sie wirklich zu ihm gehörten, die er aber dieser Niedergeschlagenheit vorzog. Immer wieder überfiel ihn die Langeweile, von einem Augenblick auf den anderen brandete sie auf wie eine Welle und warf ihn ans Ufer ihrer Trostlosigkeit. Ich langweile mich so , dachte er. Die

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