Die Erziehung - Roman
ermüdete – für die Wohltaten der Frömmigkeit, legte sich eine barmherzige Seele zu, entflammte sich für aussichtslose Fälle. Eines Morgens begleitete er sie in ein Waisenhaus, wo er angesichts der kleinen Bastarde und der Ergebenheit der Nonnen eine Träne verdrückte. Da er eine beträchtliche Summe daließ, dankte ihm Madame de Valny in der Kutsche auf dem Rückweg mit schluchzender Stimme, die Hände um die seinen gepresst. Kaum zurück überbrachte sie die Anekdote der Présidente, die ihn sanft streichelte, da er jung war und deshalb fragil und sie darüber hinaus an einen Neffen erinnerte, den sie sehr geliebt und an Preußen verloren hatte. Ihrer Schwester, Madame de Clairois, ging nichts über stundenlange Spaziergänge, und Gaspard begleitete sie, half ihr, ein Herbarium zusammenzustellen, suchte mit ihr in den Enzyklopädien nach den Namen der Pflanzen und trug ihre Hündchen, die sie für herzkrank hielt, auf dem Arm, wenn sie ins Keuchen gerieten. Monsieur d’Uzens schließlich hatte eine Leidenschaft für Pferde. Gaspard unterzog sich bereitwillig seinen Ratschlägen und Lektionen. Gemeinsam unternahmen sie lange Ausritte in den Wald, sprachen über Politik und galoppierten um die Wette zu den Pferdeställen zurück.
Die Tage vergingen mit mönchischer Langsamkeit, aber während der Alltag der d’Annovres seinen Hass auf den Comte und die Seinen geschürt hatte, schien der Luxus hier jeden Augenblick mit seinem Glanz zu überstrahlen. Er achtete darauf, Raynaud gegenüber eine kindliche Zuneigung zu bezeugen, und diese Freundschaft des Schülers mit dem Lehrer rührte die Frauen. Als die Présidente sich nach ihrem Verhältnis erkundigte, erging er sich in einer Lobeshymne, die diese zutiefst erschütterte. Die Jugend brauche einen starken Geist, ein Beispiel, betonte Gaspard. Er habe in Raynaud seinen Lehrmeister gefunden. »Dann haben Sie also keine Eltern mehr?«, fragte die Présidente. Gaspards Blick verlor sich in der Weite, und eine plötzliche Traurigkeit verdüsterte sein Gesicht. Die Frau entschuldigte sich eilig, dachte, sie hätte in einer Wunde gerührt. Gaspard beruhigte sie mit einem resignierten Lächeln: »Sagen wir, dass Ihr Freund wie ein Vater für mich ist und dass er mir das Leben gerettet hat. So wie Sie, Madame, mir die Zuneigung einer Mutter entgegenbringen.« An diesem Abend schrieb die Présidente ein paar Briefe, in denen sie ihre Freude darüber zum Ausdruck brachte, dass sie dieses so feinfühlende Kind bei sich aufgenommen hatte und ihm helfen konnte, seine Wunden zu heilen.
In Wirklichkeit lieferten sich der Baron Raynaud und Gaspard ein Katz-und-Maus-Spiel. Der alte Mann begehrte seinen Geliebten, und der Geliebte floh ihn ohne Ende. Er war ununterbrochen damit beschäftigt, die Versuche des Barons zu vereiteln, mit ihm allein zu sein. Die Zerstreuungen der anderen Gäste boten Gaspard die Möglichkeit, in Gesellschaft zu bleiben oder aus dem Schloss zu fliehen. Die Reise und die frische Landluft hatten Raynaud ermüdet, und auf seinen Spaziergängen wagte er sich nicht weiter als bis zum Parktor. Wenn Gaspard sich nach seiner Gesundheit erkundigte, flehten die Augen des Greises um weitere Aufmerksamkeiten. Er entschuldigte sich, dass er sich hinlegen müsse, bat aber darum, besucht zu werden, um nicht vor Langweile zu sterben. Die Gesellschaft löste sich an seinem Bett ab, nur Gaspard hielt sich unter tausend Ausreden fern. »Raynaud beklagt, dass er Sie gestern nicht zu Gesicht bekommen habe, er wünscht Ihren Besuch«, sagte die Présidente beim Essen. Gaspard wischte sich die Lippen und schaute betrübt über den Tisch: »Ich habe aufgrund meiner Lebensgeschichte die allergrößte Mühe, einen Freund leiden zu sehen. Dieses Elend, auch wenn es harmlos ist, ängstigt mich so sehr, dass ich selbst noch kränker davon werde. Aber ich werde mir Mühe geben. Glauben Sie mir, ich habe ihm geschrieben.« Die Présidente, die fürchtete, erneut schmerzhafte Erinnerungen geweckt zu haben, bedankte sich wärmstens. »Es ist nur ein Husten«, antwortete Valny, »verschonen wir doch die Jugend mit den Unannehmlichkeiten des Alters, morgen wird Raynaud wieder auf den Beinen sein.« Tatsächlich hatte der Baron bald genug von seiner Unpässlichkeit, die ihn isolierte und Gaspard nicht in seine Höhle lockte. Am nächsten Morgen tauchte er wieder auf und nahm den jungen Mann in die Pflicht.
Es war nicht verwunderlich, dass der Baron müde war. Jede Nacht klopfte er mit
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