Die Erziehung - Roman
Fleisch, der nie das Tageslicht gesehen hat. Die Bestie schwängert jedes Jahr Dutzende von Säuen, seine Nachkommenschaft verläuft sich in den Irrungen der Blutsverwandtschaft. Sie gehen zum Saustall, ihre Füße versinken in der Jauche, entreißen sich ihr mit lautem Sauggeräusch. Der Vater läuft vor ihm, und Gaspard hebt die Augen, betrachtet seinen riesigen Rücken, der schwerfällig hin und her schwankt. Der Geruch der Schweine dringt zu ihnen, die Schreie, die Aufregung der Herde, das Trampeln im Schlamm und die Geräusche der gierigen Rüssel, die in den Exkrementen wühlen. Der Himmel ist von Blutergüssen durchzogen. Der Wind betäubt ihre Gesichter, die Panzerhaut ihrer Finger. Der Vater zieht die Stalltür auf. Das Holz, von einem gelblichen Moos bedeckt, bewegt sich auf ihn zu. Vom Tageslicht geblendet nehmen die Säue Reißaus, drücken sich quietschend aneinander, stoßen sich gegenseitig, werfen die Jauche auf, von der ihre Flanken voll sind. Der Vater zeigt mit dem Finger auf die vom Eber verwüstete Koppel. Seine Flucht, seine Zuversicht, einen Ausweg zu finden, nötigen Gaspard Respekt ab. Er erinnert sich an den Geschmack des Schweinedrecks und an den dantischen Schatten des Vaters im Gegenlicht.
Die Wunde wurde für Gaspard die Bedingung seines Überlebens. Schließlich richtete er sich auf, erhob sich, ohne den Stoff auf seinem Bauch loszulassen. Er stand gerade, schwankte, ergriff die Spiegelscherbe, auf der sich eine schwärzliche Kruste gebildet hatte, wischte sie am Nachthemd ab. Er schob sie sorgfältig in eine Tasche seiner Jacke. Die Wunde hatte zu bluten aufgehört. Er wischte das Blut von den verklebten Haaren, von den Schenkeln. »Nur oberflächlich«, sagte er, als würde ihn das Ganze nichts angehen. Das Wasser im Becken färbte sich rosa, ein kostbares, empörendes Rosa. Er empfand Ekel vor diesem seinem Bauch entflossenen Saft, ergriff das Gefäß und schüttete den Inhalt zornig aus dem Fenster. Gaspard warf einen Blick in den Raum, um sich zu vergewissern, dass er keine Spuren hinterlassen hatte. Seine Tat war rätselhaft und beschämend. Er ging zum Bett, kroch unter das Laken, achtete darauf, es nicht über den Bauch zu ziehen. Die Vorstellung, man könne ihn am Morgen in besudelten Laken vorfinden, streifte ihn, und er schlug das Nachthemd herunter, bevor er vom Schlaf überwältigt wurde.
III
PARFORCEJAGD
Seine Ungeduld weckte ihn, ehe es hell war. Gaspard sah zu, wie die Dämmerung helle Maserungen an die Zimmerdecke malte. Er war vor Müdigkeit wie erschlagen, konnte aber nicht mehr einschlafen. Der Gedanke an die Gäste, deren Bekanntschaft er bald machen würde, erregte ihn. Er wollte sich zur Seite drehen, da spürte er ein Ziehen in seiner Körpermitte. Hatte er nicht nur davon geträumt? Das Unbehagen zwang ihn, das Laken zurückzuschlagen. Der Stoff seines Hemdes war von dunklen Blütenblattern verkrustet. Die Erinnerung an seine Geste wurde deutlicher, aber die Flecken verwirrten ihn. Die Verbindung schien ihm nicht klar: Hatte man ihm ein schmutziges Nachthemd gegeben, ohne dass er es bemerkt hatte? Er zog das Kleidungsstück nicht hoch, aus Angst vor der Konfrontation mit der Wunde. Sie zu sehen wäre der unerschütterliche Beweis für seine Verstümmelung. Er legte sich auf den Rücken und versuchte vergeblich, sich wieder in den Schlaf zu flüchten. In einzelnen Brocken kehrte die Nacht zurück, rhythmisiert durch die Faust des Barons, die pausenlos an seine Zimmertür hämmerte.
Auf Befehl Raynauds war Mathieu bereits aufgestanden. Als er kam, befahl Gaspard ihm, in aller Verschwiegenheit einen Verband zu besorgen und ihn dann einen Augenblick allein zu lassen. Er verband seinen Bauch, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Das alles muss bis heute Abend gewaschen werden«, befahl er und streckte Mathieu das Nachthemd und den Stoff hin, der als Gaze gedient hatte. Der Junge nickte und zog sich, als Gaspard seine Hilfe ablehnte, zurück. Er kleidete sich an. Der Verband machte ihm das Atmen schwer, drückte ihm auf den Unterleib. Er öffnete die Fenster, plötzlich überzeugt, den eisernen Geruch von Blut wahrzunehmen. Nun war es Zeit für die Erstürmung der Gesellschaft.
Sie entsprach seinen sehnsüchtigsten Erwartungen. Er machte die Bekanntschaft mit dem Duc de Valny, dessen Ansichten über die Kunst er teilte, begeisterte sich mit seiner Gemahlin – einer dicken und derart gottesfürchtigen Frau, dass ihre Inbrunst gelegentlich selbst die Présidente
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