Die Erziehung - Roman
seiner Geräusche auflauerte, kein anderer als Justin Billod war. Wütend las er einen Stein vom Boden auf und schmetterte ihn mit ganzer Kraft gegen die Tür. Die Schritte entfernten sich beschämt.
Im Ofen glühten nur wenige Holzstücke. Gebieterischer als je meldete sich der Hunger. Er fand die Kraft, sich aus dem Bett zu kämpfen, den Raum zu durchqueren, sich die Treppe hinaufzuschleppen. Er wusste nicht, wie viel Zeit seit Etiennes Verschwinden vergangen war, aber was ihm wie eine Ewigkeit vorkam, war in Wahrheit nur eine Handvoll Wochen. Die Straße war vom Kommen und Gehen der Straßenhändler und Passanten belebt. Vor der Schneiderwerkstatt stritten sich ein paar Frauen um den Preis eines Stoffs. Sie warfen einen entsetzten Blick auf Gaspard, den er nicht wahrnahm. Er eilte in die Rue de Saint-Jacques, wo ein Suppenhändler seinen Laden hatte, ließ sich unterwegs beinahe von einer Droschke überfahren, zeigte mit einem Knurren auf den dampfenden Topf. Der Mann hob den Deckel. Von der beigefarbenen, klumpigen Flüssigkeit stieg ein Geruch auf, der ihm den Magen zusammenzog. Er krümmte sich, eine Hand auf den Bauch gepresst, und verbrannte sich die Zunge, als man ihm die Schale hinstreckte. Die Suppe verstärkte seinen Hunger, doch sie nahm ihm die Krämpfe. Er fühlte sich ein wenig belebt, bemerkte, dass der Händler ihn mit Abscheu betrachtete. Er fasste mit der Hand an sein abgemagertes Gesicht und nahm seinen eigenen Geruch wahr. Von ihm ging ein ekelhafter Mief aus, als würde er den Gestank des Kellers mit sich herumtragen. Gaspard gab dem Händler die Schale zurück und ging Richtung Fluss. Er hatte sich den inzwischen zerknitterten Gehrock über die Schulter geworfen. Ein eigenartiger Anblick. Die Passanten beäugten ihn misstrauisch, verdächtigten ihn, das Gewand eines Bürgers gestohlen zu haben, wichen ihm aus, wenn er vorbeiging, die Gesichter von Angst entstellt. Nichts verband diese abgespannte Gestalt mit dem Mann, der wenige Wochen zuvor mit Stolz der Ile de la Cité zumarschiert war. Damals hatte er einen Bettler mit demselben Ekel zurückgestoßen, den er jetzt bei den anderen auslöste. Aber Gaspard, zu benommen, um die Stadt wahrzunehmen, sah die Gesichter nicht. Er hatte noch immer diese immense Leere in sich, in der sich weder Begehren noch Stolz mehr regte. Als er in den überfüllten Quai de la Tournelle einbog, wandte er den Blick zur Seine, ging schwerfällig die Böschung hinunter. Eine Gruppe Wäscherinnen tauchte mit erröteten Gesichtern unermüdlich bräunliche Stoffe ins Wasser. Manche husteten und spuckten den Schleim zu Boden, den sie ihren Lungen entrissen. Der Schaum aus ihren Zubern stand in lockeren Brocken auf dem Fluss, löste sich dann vom Ufer, von der Strömung mitgetragen. Die Böschungen, die im Sommer zu Staub zerfielen, waren zu riesigen Wüsten von Schlamm geworden, der an Schuhen, Kleidern und Hosen klebte. Gaspard stand taumelnd am Rande des Wassers, tauchte die Hände in die klebrige Seifenbrühe, führte sie ans Gesicht. Der Fluss stank. Zwei Schritte von ihm trieben die Überreste einer Katze im Wasser. Die Kälte schnitt ihm den Atem ab. Gaspard wischte den Dreck von den Wangen, benetzte die Haare, rieb seine Arme. Der kalte Biss des Flusses brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Er schaffte es, sich aufzurichten, sich gerade zu halten, schnaubte. Er sah an sich herunter, gewahrte seine Aufmachung, aber empfand keinerlei Scham. Wie kommt es , fragte er sich, dass ich nicht die geringste Verlegenheit spüre, wenn Etienne mich nicht sehen kann? Seine Erscheinung entsprach seiner Verfassung, zugrunde gerichtet, heruntergekommen. Schlotternd schleppte er sich durch die Gruppe der Wäscherinnen. Sie lachten ein wenig, blähten ihr volles, kühnes Fleisch, während er die Straße wieder hinaufging. Er dachte an die Ironie des Schicksals, das ihn zum Fluss zurückführte, infamer noch als damals, als er ihn verlassen hatte in der sicheren Überzeugung, von ihm losgekommen zu sein. Er schaute auf das Brodeln der Stadt, als wäre sie von ihm getrennt. Man stieß ihn, er lief ein paar Schritte auf der Fahrbahn. Ein Reiter befahl ihm, aus dem Weg zu gehen. Gehorsam wich er zurück.
Am Eingang der Straße, in die er aufs Geratewohl einbog, wuchs ein Baum, und er wunderte sich, dass diese Einöde ein Stück Vegetation hervorbringen und ernähren konnte. Trübe, in dreckigen Tönen ergoss sich der Himmel über die Stadt, ohne Grenze zwischen der Unbeständigkeit
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