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Die Erziehung - Roman

Die Erziehung - Roman

Titel: Die Erziehung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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und legte eine Hand an die Wand, »ich verstehe nicht, wovon …« – »Und er tut, als wüsste er nicht, wovon ich rede! Er stellt mich als verrückt hin! Laster und Verdorbenheit kennen wohl gar keine Grenzen bei diesem Jungen. Was sage ich? Bei diesem Teufel, denn genau das ist er, ein Teufel! In meinem Keller verkrochen! In seiner Hölle versteckt! Selbst wenn er nicht da ist, vergiftet er die Luft mit seinem Schwefel! Was stellen Sie da unten an? Was für einen Hexensabbat, welche Beschwörungen, die mich ins Verderben führen? Es reicht also nicht, allein unterzugehen, Sie wollen das ganze Schiff mit sich reißen?« – »Meister, ich wollte nur …« – »So schweigen Sie! Lästern Sie nicht Gott, nennen Sie mich nicht Meister und auch nicht anders! Ah, glauben Sie denn, ich hätte Ihr Spiel nicht durchschaut? Denken Sie, ich hätte nichts begriffen? Ich wollte, dass Sie verschwinden. Sie haben zwar gehorcht, aber Sie führten bereits Böseres im Sinn, Ihre Abwesenheit war noch schlimmer als Ihre Anwesenheit! Schon von der Straße erfasst man diesen widerlichen Geruch, diesen Gestank, den ich natürlich rechtfertigen musste und der Verdacht erweckt hat. Hundertmal, hundertmal, sage ich Ihnen, wollte ich kommen und Sie da herauszerren wie eine Ratte. Sie dachten wohl, Sie könnten mich zurückhalten durch das hassenswerte Arrangement, das Sie mit dieser Person verbindet, die genauso hassenswert ist. Täuschen Sie sich nicht: Ich ging nicht hinunter, denn ich bekam dort unten keine Luft! Ich wäre an Ihnen erstickt! Wenn es nicht Ihr Geruch war, dann Ihre Präsenz, die die Werkstatt vergiftet. Wäre ich nur besser beraten gewesen, hätte ich Sie nur sofort abgelehnt, an dem Tag, als Sie mir so erbärmlich auf der Straße erschienen sind! Oder hätte ich Sie an der Stelle fortgeschickt, als ich begriffen habe, was für ein Versager Sie sind.«
    Billod hielt erschöpft inne. Er fiel, schlaff und tolpatschig, auf den Hocker zurück, auf dem er bis vor wenigen Minuten diese Gedanken ausgebrütet hatte. Da der Lehrling nichts sagte, fuhr er mit erschöpfter Stimme fort: »Und was hast du getan, welchen Fluch hast du über mich verhängt, dass ich nur noch an dich denke? Dass ich selbst in der Nacht meine, deine Stimme zu hören, oder manchmal in einem Luftzug deinen Geruch wahrnehme, der eigenartig beruhigend ist, wie jene vertrauten Gerüche, die, obschon sie ein wenig abstoßen, glückliche und tröstliche Erinnerungen heraufbeschwören? Durch welche Hexerei hat sich das Atelier dermaßen geleert, dass sich meine Kunden schließlich darin zu Tode gelangweilt haben? Selbst ich suche ständig mit dem Blick diesen Schüler, den ich bei mir aufgenommen habe.« Er warf einen weinerlichen Blick auf Gaspard, als spräche er von jemand anderem, als sähe er im Lehrling nicht Gaspard, sondern einen Freund von Gaspard, dem er sich anvertrauen konnte: »Dich hier zu spüren, in meinem Haus, unter meinem Atelier verkrochen wie … wie eine Schlange, ja, denn genau das bist du, das bringt mich um den Schlaf, ich träume ohne Unterlass. Ihre Trägheit, diese schmachtenden Gesten, diese … herausfordernde Lässigkeit, die sich hier, da, diesen Wänden eingeprägt hat. Selbst die Kundinnen spürten diese Wollust und fächelten sich wie wild, als wollten sie ein uneingestandenes Begehren unterdrücken. Aus Angst, belästigt zu werden, haben sie beschlossen, gar nicht mehr zu kommen. Oder haben sie mit ihren großen Fächerschlägen diese Miasmen verjagt, die das Untergeschoss bis auf die Straße hinausspeit? Ich weiß es nicht mehr. Nein, nein, ich kann es nicht sagen. Ich kann einfach nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus, hier zu sein, erschöpft und allein. Stammt er etwa nicht von dir, dieser Geruch? Mein Gott, wie kann man nur so stinken? Ich schwöre, ich habe noch nie jemanden gesehen, der so abstoßend ist. Seit wann hast du dich nicht mehr rasiert? Man fragt sich, ist es der Bart oder der Dreck, der dein Gesicht verdeckt? Dieses so sehr geliebte Gesicht, ja, ich sage es ohne Scham, schau, dieses Gesicht, das ich so geliebt habe, wie ist es asketisch und hässlich geworden. Dreckiges kleines Ungeheuer, wie lange, was meinst du, kann ein Mann allein bleiben? Wie lange, glaubst du, kann ich es noch ertragen, auf dich zu warten, im Wissen, dass du da unten bist, diese graue Miene und diesen blassen Körper mit dir herumschleppst? Wie habe ich versucht, dich zu hassen! Und je mehr ich mich anstrengte, umso größer wurde

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