Die Eule von Askir
werden«, flüsterte Feltor.
Er sah hinaus durch das Haupttor der Gildenhalle und bemerkte, dass der Abend nahte. So wie es schien, hatten die Götter den Moment verschlafen, es war nun alles getan. Nichts würde den verwegenen Plan jetzt noch aufhalten können.
Feltor nahm seine ganze Kraft zusammen, bündelte seinen Willen und versuchte erneut das Joch zu brechen, das ihn schon so lange niederdrückte. Nur wenige Schritte bis hin zu dem Schwertmajor der Bullen dort drüben, ein paar einfache Worte, und die Katastrophe wäre abgewendet.
Die Anstrengung war vergebens, er konnte es nicht.
Vielleicht hatte Asela es doch besser getroffen, dachte Feltor bitter. Sie hatte vergessen, wer sie einst gewesen war, und hatte schon vor Jahrhunderten den Kampf aufgegeben.
59
»Also, was auch immer ich erwartet habe«, sagte Santer überrascht, »das ist es nicht!«
Desina, Santer und Wiesel standen im Keller vor der zerschmetterten Tür. Wiesel gab ihm wortlos recht, er selbst hätte eine Folterkammer erwartet oder einen dunklen Altar, aber nicht das.
Das Zimmer war leer bis auf einen großen Tisch und vier Öllampen an der Decke, die dem weiß getünchten Kellerraum Licht spendeten. Alle betrachteten verblüfft das, was auf dem großen Tisch stand.
»Das ist ein Model«, stellte Desina fest. »Manchmal fertigen Baumeister sie an. Ich habe schon welche von einzelnen Häusern gesehen, aber noch nie von einer ganzen Stadt.«
Es war tatsächlich eine Stadt, mit Häusern und Straßen und einem Hafen, der in einen Fjord hineingebaut war, alles so präzise und so realistisch gefertigt, dass man meinen könnte, man schwebe wie ein Vogel über dieser Stadt.
»Wie ist es möglich, so viele kleine Dinge mit solcher Präzision zu fertigen?«, fragte Wiesel beeindruckt und beugte sich vor, um ein Haus genauer anzusehen. Es war nicht viel größer als das vordere Glied seines Daumens, und dennoch war jeder einzelne Balken, jedes Fenster des Fachwerkhauses sauber ausgeführt, bis hin zu einer Fackelhalterung an der Ecke.
»Hier war kein Schnitzmesser am Werk. Das Ganze wurde mit Magie geformt, aus einem leichten Holz, das man tief im Süden finden kann.« Desina beugte sich vor und deutete dann auf ein Symbol an der unteren linken Ecke des Modells. »Das hier ist das Zeichen des Ewigen Herrschers. Das Modell ist von Askannon selbst angefertigt worden.«
»Der Mann war ein Künstler«, sagte Taride vom Eingang. »Die Zofe weiß von nichts«, erklärte die Bardin, als sie näher trat. »Diese Kurtisane war gut darin, Dinge verborgen zu halten.«
»Das kann nicht sein«, widersprach Desina. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass nur Melande dieser Sera zum Opfer fiel.«
Die Bardin seufzte. »Von den Spielarten der Lust und anderen Dingen, die hier in diesem Haus vorgefallen sind, weiß die Zofe genug, um sie vor den Inquisitor zu bringen. Was ich meinte, ist, dass sie niemals etwas gesehen hat, das darauf hinweisen könnte, dass diese Sera Asela eine Verfluchte ist.« Sie beugte sich über das Modell und sah dann bewundernd auf.
»Ich wusste, dass es solche Dinge gibt«, sprach sie. »Aber ich habe so etwas noch nie erblickt. Es ist ein Kunstwerk, ein wahres Wunder. Aber warum befindet es sich im Keller dieser Verfluchten?«
»Das ist eine gute Frage«, sagte Desina. »Es ist eine kleine Hafenstadt, kaum größer als ein Dorf. Vielleicht fünfhundert Häuser. Eine kaiserliche Wachstation und eine Feste auf dem Felsen hoch über der Stadt und dem Hafen, mit dem imperialen Drachen auf dem Fahnenmast. Also eine Stadt des Reichs.« Sie schaute die anderen fragend an. »Ich bin nie aus Askir herausgekommen«, sagte sie dann. »Santer, Taride, ihr seid beide weit gereist, kennt ihr den Ort?«
»Ich war schon in jedem Hafen des Reichs«, antwortete Santer und schüttelte bedächtig den Kopf. »Doch ich kenne den Hafen nicht. Der Fluss, dieser tiefe Fjord, die Steinformation und auch diese lange Mole… Ich müsste den Hafen eigentlich erkennen, aber er ist mir unbekannt.«
Alle sahen nun Taride an, die das Modell mit gerunzelter Stirn betrachtete. »Ich bin weit herumgekommen auf meinen Reisen. Aber ich muss ebenfalls sagen, dass ich diese Stadt nicht kenne. Vielleicht ist es eine, die erst noch errichtet werden sollte?«
Desina schüttelte den Kopf. »Seht euch Askir an. Der Ewige Herrscher hat die Reichsstadt geplant, und überall, wo es nur ging, gibt es breite, gerade Straßen. Diese verwinkelten Gassen und Wege…
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