Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
auch gedruckt, was unsere Politiker freilich nicht beeindruckt.
Offen werden in den Medien neuerdings die Rettungsmaßnahmen kritisiert, durch die ganze Nationen in Geiselhaft genommen werden. Lautstark empört man sich über die Kanzlerin, die ihre fatalen Entscheidungen als »alternativlos« verkauft: »Schluss mit dem Milliarden-Wahnsinn der Bürgschaften!«, rufen viele in der Presse. »Schluss mit den immer gewagteren Versprechen, für andere Schulden abzutragen, für die man selbst Schulden aufnehmen muss!«
Aber seltsam – das, wofür gebürgt wird, genießt weiterhin den Schutz der Medien und der Öffentlichkeit: der Euro. Die Währung, die uns das Desaster gebracht hat, bleibt unantastbar. Gerade auch die Journalisten, die in Sachen Rettungsschirme meiner Meinung sind, fügen am Ende des Gesprächs regelmäßig hinzu: »Aber der Euro soll bleiben.«
Der Euro soll also bleiben. Doch die Maßnahmen, die sein Überleben garantieren sollen, nicht. Offenbar ist keinem meiner Gesprächspartner die Unlogik dieser Sichtweise aufgefallen: Ohne unsere Bürgschaft von Hunderten Milliarden Euro gibt es keinen Euro. Aber man will den Euro. Um jeden Preis. Auch wenn damit die Logik auf den Kopf gestellt wird.
Ich nenne das Euro-Schizophrenie. Vor ihr sind nicht einmal Wissenschaftler geschützt, die sonst Hochachtung verdienen. Nehmen wir Hans-Werner Sinn, den Chef des ifo-Instituts, das übrigens zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, deren Chef ich einmal war. Unabhängig davon habe ich ihn immer gegen Angriffe in Schutz genommen: Als man ihn unberechtigterweise als Verharmloser des Nazireichs outen wollte oder Peer Steinbrück ihn in seiner zartfühlenden Weise als »Professor Unsinn« abkanzelte, habe ich ihm beigestanden.
Dennoch: Bei aller Verbundenheit muss ich Hans-Werner Sinn heute doch entgegenhalten, dass auch er die Sprengkraft dieser Währung unterschätzt. Er beklagt die Rettungsmaßnahmen, aber hält fest an dem, was auf unsere Kosten gerettet wird. Der sonst so kluge ifo-Chef hat sich dem großen Euro-Dogma gebeugt, auch wenn er, nach längerem Zögern, inzwischen den Austritt Griechenlands befürwortet. Sein Beharren erinnert mich an die lateinische Warnung fiat iustitia, et pereat mundus , zu Deutsch etwa: Das Gesetz muss durchgesetzt werden, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht. Meine Variante würde lauten: Der Euro muss durchgesetzt werden, auch wenn Europa darüber zugrunde geht.
Was geht hier eigentlich vor? Jeder will den Euro behalten, koste es, was es wolle. Doch unter vier Augen bekennen immer mehr Gesprächspartner, dass ihnen die Kosten doch zu hoch sind. Unbemerkt ist Deutschland zur »Vieraugengesellschaft« geworden. Nach außen die Nibelungentreue, das Bekenntnis zum Euro – nach innen die Zweifel an den Rettungsmaßnahmen, der Ärger über die Verschuldungsspirale und, als deren Folge, die Angst vor zukünftiger Inflation. Aber keine Sorge, die ist längst da. Man hat es nur noch nicht bemerkt.
Nicht zum ersten Mal findet Deutschland sich zweigeteilt – in das, was man offen sagen kann, und das, was man nur im Vertrauen weitergeben darf. Ein »Vieraugenland« gab es schon zur Hitler-Zeit, dann im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat, und in beiden Fällen war es überlebensnotwendig, den Unterschied zwischen offen und vertraulich zu kennen. Auch bei uns wird heute auf Wohlverhalten und Political Correctness größter Wert gelegt. Das Dogma, das alle vereinigen und jeden Andersdenkenden abschrecken soll, ist der Euro.
Dabei ist die Bundesrepublik doch ein freies Land, in dem jeder sich seine eigene Meinung bilden kann. Bilden ja, aber ob er sie sagen kann, ohne die Folgen tragen zu müssen, ist eine andere Frage. In der Treue der Deutschen zum Euro sehe ich ein massenpsychologisches Phänomen. Man ist krank, aber da alle krank sind, glaubt man, gesund zu sein. Man könnte die Euro-Schizophrenie als neue Volkskrankheit bezeichnen.
Trotz der Angst der Deutschen »vor der nicht durchschaubaren Eurokrise«, so das Handelsblatt im April 2013, scheinen sie sich immer mehr »von Euroskeptikern in Euro-Befürworter zu verwandeln«. Zwar wenden sich in anonymen Umfragen rund 80 Prozent gegen neue Hilfen für Griechenland, Zypern oder andere klamme Mittelmeerstaaten – doch zugleich stehen, laut Forsa -Umfrage, knapp 70 Prozent eisern zur Brüsseler Kunstwährung. Tendenz steigend. Ja, so meinen sie, wir alle wollen den Gemeinschafts-Euro, aber bitte zum Nulltarif. Wasch mich, aber
Weitere Kostenlose Bücher