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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Menandros. Er sprach Arabisch mit dem türkischen Akzent seiner Heimatstadt Istanbul.
    »Aber warum denn nicht?«
    »Die Päpste berufen sich auf Petrus als ersten Bischof von Rom. Ein verheirateter Papst!«, schmunzelte der orthodoxe Priester.
    »Im Jahr 306 hat die Synode von Elvira in Spanien die sexuellen Beziehungen für alle Priester und Bischöfe verboten – aber das Konzil von Nikaia hat im Jahr 325 dieses Verbot wieder aufgehoben«, erklärte Elija. »Erst das zweite Laterankonzil von 1139 hat die von Priestern und Mönchen geschlossenen Ehen nicht nur, wie bisher, für unerlaubt, sondern für ungültig erklärt.«
    »Und was haben die Entscheidungen der Konzilien gebracht? Päpste wie Rodrigo Borgia heiraten ihre Geliebten nicht mehr und setzen illegitime Papstkinder wie Cesare Borgia in die Welt«, warf Menandros respektlos ein.
    »Gott gebot den Menschen: ›Seid fruchtbar und vermehrt euch!‹«, fuhr Elija unbeirrt fort. »Auch der Talmud verurteilt die Ehelosigkeit: ›Wer keine Frau hat, ist ohne Freude, ohne Segen, ohne Glück, ohne Tora, ohne Frieden. Ein Mann ohne Frau ist kein Mensch.‹ Und Rabbi Eleasar ben Asarja sagt: ›Wer sich der Ehe versagt, der verletzt das Gebot von der Vermehrung des Menschen und ist als Mörder anzusehen, der die Zahl der im Ebenbild Gottes geschaffenen Wesen vermindert.‹ Ein unverheirateter jüdischer Mann ist völlig undenkbar!«
    »Willst du sagen, dass Rabbi Jeschua verheiratet war?«, fragte ich erstaunt.
    »Selbstverständlich war er verheiratet.«
    »Aber keiner der Evangelisten erwähnt eine Ehefrau!«, protestierte ich und deutete auf das Matthäus-Evangelium.
    »Der Tenach erwähnt auch keine Ehefrauen der Propheten. Und auch im Talmud wirst du nichts über die Frauen der Rabbinen lesen«, erklärte Elija. »Von allen berühmten Talmudlehrern war nur ein einziger nicht verheiratet: Rabbi Ben Assai, ein Schüler und Freund des großen Rabbi Akiba. Und ihm wurden deshalb die schwersten Vorwürfe gemacht.
    Die Ehelosigkeit wäre auch Jeschua von den Pharisäern und Sadduzäern vorgeworfen worden, die dem Rabbi immer wieder Entscheidungsfragen zur Auslegung der Mizwot stellten. Aber davon lesen wir nichts in den Evangelien! Also hat er nicht gegen diese Mizwa verstoßen.«
    »Mit wem war Jeschua verheiratet?«, fragte ich atemlos.
    »Ich vermute, dass er Mirjam aus Magdala geheiratet hat, denn sie wird in den Aufzählungen der Jüngerinnen immer als Erste genannt und sie war bei allen entscheidenden Ereignissen seines Lebens anwesend«, erwiderte Elija. »Die Stadt Magdala lag einige Meilen südwestlich von Jeschuas Heimatstadt Kafarnaum am Ufer des Sees Gennesaret.«
    »Glaubst du, dass Jeschua und Mirjam Kinder hatten?«
    »Ja.«
    Menandros wirkte so bestürzt wie ich.
    Elija zog die lateinische Bibel zu sich heran und blätterte einige Kapitel vor. »Lies nach bei Matthäus, Kapitel 18. Die Talmidim hatten sich im Haus ihres Rabbi in Kafarnaum versammelt und fragten ihn: ›Wer ist der Größte im Himmelreich?‹ Jeschua rief ein Kind – Shemtov schrieb: einen Jungen –, um ihnen zu erklären: ›Wenn ihr nicht werdet wie kleine Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.‹
    Welche Kinder spielen im Haus eines Rabbi, wenn nicht seine eigenen? Denn seine Brüder Jakob, Joseph, Schimon und Jehuda und seine Schwestern lebten mit ihren Familien nicht in demselben Haus in Kafarnaum, das Jeschua mit seiner Frau und seinen Kindern bewohnte. Ich nehme an, er hatte mindestens einen Sohn. Einer alten Legende zufolge hieß sein ältester Sohn Jehuda ben Jeschua.«
    Jeschuas Sohn!
    Menandros und ich starrten Elija betroffen an.
    »Glaubst du, dass seine Nachkommen …«, begann ich und verstummte.
    Hatte Elija mir nicht erzählt, dass seine Familie während des Jüdischen Krieges aus Israel geflohen war – zu dem Zeitpunkt, als nach Jakobs Tod auch die nazoräische Gemeinde aus Jerusalem flüchtete?
    Elija hielt meinem Blick stand.
    Konnte es sein … Ich wagte kaum, den Gedanken zu Ende zu denken … Und doch: War es möglich, dass Elija Ibn Daud … Elija ben David … ein Nachkomme von Jesus Christus war?
    Seine Augen funkelten, als er mich ansah.
    »Und die Geschwister mit ihren Familien?«, fragte ich.
    »Jakob, der wie sein Vater Joseph ›der Gerechte‹ genannt wurde und vermutlich wie Jeschua ein pharisäischer Rabbi war, folgte Jeschua nach der Kreuzigung als Oberhaupt der Nazoräer nach – so hieß die judenchristliche Gemeinde«, erklärte

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