Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Da nahm ich an, dass du im ›Königreich der Himmel‹ warst. Mit ihm .«
    Ich schwieg.
    »Ich war zornig und enttäuscht«, gestand er. »Wie konntest du mir das antun – nach allem, was wir beide erlitten hatten. Als unsere Väter in der Schlacht fielen. Als du beinahe an der Pest gestorben warst. Als Antonio dich …« Tristan verstummte und biss sich auf die Lippen. »Dann habe ich dich mitten in der Nacht zum Schiff nach Athen gerudert. Als ich im Morgengrauen dem Schiff nachsah, habe ich gedacht, dass ich dich nie wiedersehe.
    Drei Jahre lang habe ich auf dich gewartet. Drei endlose Jahre. Tausend traurige Tage und tausendundein einsame Nächte. Aber ich … Bitte verzeih!« Seine Gefühle überwältigten ihn. »Aber ich habe die Hoffnung niemals aufgegeben. Jede Nacht, bevor ich einschlief, habe ich mir gesagt: Eines Tages wird sie zu mir zurückkehren. Dann wird sie in meinen Armen einschlafen, und am nächsten Morgen werde ich neben ihr aufwachen. Nie mehr werde ich einsam sein!«
    In der Seele berührt setzte ich mich neben ihn auf die Stufen, nahm ihm das Glas aus der Hand und umarmte ihn.
    »Ich war so glücklich, als du aus dem Exil zurückkamst«, seufzte er. »Erinnerst du dich an unseren ersten Kuss?«
    »Es war am Tag meiner Rückkehr aus Athen. Du hattest seit Stunden am Molo auf mich gewartet. Unter den Statuen von Adam und Eva im Sündenfall an den Arkaden des Dogenpalastes haben wir uns geküsst.«
    »Liebe ist keine Sünde. Sie ist eine Gnade Gottes«, murmelte er. »Sie ist ein kostbarer Schatz – eine ganze Truhe voller tiefer Gefühle wie Freude, Sehnsucht, Geborgenheit, Zärtlichkeit, Leidenschaft und Glückseligkeit … schöne Erinnerungen an die Augenblicke, die unserem Leben erst einen Sinn geben.
    Vorhin habe ich mich daran erinnert, wie du mich als Kind in die Rosen gestoßen hast. Das war der Beginn unserer Freundschaft, die nun schon neunzehn Jahre hält. Neunzehn Jahre , Celestina! Das ist unser ganzes Leben …«
    Ich strich ihm sanft über das lange Haar, schob eine Strähne aus seiner Stirn und küsste die Narbe von den Rosendornen.
    »Und ich habe mich daran erinnert, wie wir vor einigen Wochen in Florenz die Ringe tauschten.« Tristan ergriff meine Hand und hielt den funkelnden Topasring ins Licht der Kerzen. »In jener Nacht in Florenz habe ich dir geschworen, dich zu lieben, bis der Tod uns trennt. ›Jeden Tag meines Lebens will ich um dich kämpfen‹, habe ich dir versprochen.
    Wir haben die Ringe getauscht als Zeichen unserer innigen Liebe, unseres tiefen Vertrauens und als Symbol unserer Freiheit, die wir uns jeden Tag neu schenken wollten. Wir waren beide zu verletzt: Nur so, einander die Freiheit schenkend, hat unsere Beziehung … zwei Jahre lang … alle Stürme überstehen können.« Tristan weinte still in sich hinein.
    Gerührt legte ich ihm den Arm um die bebenden Schultern und küsste ihm die Tränen aus dem Gesicht.
    »Ich habe dir deine Freiheit genommen, als ich dich bat, mich zu heiraten. Ich habe dich mit meinem Herzenswunsch nach einem Kind bedrängt. Und ich habe versucht, dich zu beschützen, damit niemand mir meinen kostbarsten Schatz wegnehmen würde. Als ich Leonardo vorhin nach dir fragte, hat er mir erzählt, dass du ihn gebeten hattest, herauszufinden, wer die Männer vor deinem Haus angeworben hat. Er sagte mir, wie entsetzt du warst, als er dir sagte, dass ich sie geschickt hätte.
    Celestina, es tut mir Leid. Es tut mir so unendlich Leid! Bitte vergib mir: Ich wollte dir keine Angst machen! Nach dem Mordanschlag auf dich wollte ich mit dir für einige Wochen nach Rom reisen, doch du hast es abgelehnt. Nach jenem Gottesdienst in San Marco wollte ich dich bitten, zu mir in die Ca’ Venier zu ziehen, weil ich annahm, du wärst schwanger und wir könnten ein Kind haben. Aber ich habe es nicht gewagt. Du warst in Lebensgefahr, also habe ich die beiden Männer angeworben, die dich bewachen sollten!«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    »In den letzten neunzehn Jahren haben wir so viele Stürme überstanden, die uns auseinandergerissen und wieder zusammengeführt haben, dass wir diesen gefährlichen Strudel unserer verwirrten Gefühle, der uns in die Tiefe zu reißen droht, auch noch überstehen werden.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich habe nichts dagegen, wenn du mit Elija an der Übersetzung der Evangelien arbeitest. Ich werde auch nichts dagegen sagen, wenn ihr euch liebt und er in demselben Bett schläft wie ich. Ich gebe zu: Er

Weitere Kostenlose Bücher