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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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und ich hatten am letzten Sonntagmorgen eine sehr ernsthafte Unterredung. Er erzählte mir, dass Ihr und Celestina an einer Übersetzung der griechischen Evangelien arbeitet. Dabei deutete er an, dass Eure Zusammenarbeit, sehr … wie nannte er es? … sehr intensiv ist und dass Ihr beinahe jeden Tag in der Ca’ Tron seid, sogar am Sabbat«, lauerte Tristan.
    »Das ist wahr«, gab Elija zu.
    »Sagt mir: Wie ist Euer Verhältnis zu Celestina?«
    Ich spannte die Schultern an, als Tristans Hand noch tiefer glitt.
    Elija sah mir in die Augen. Was schimmerte in seinem Blick: Hoffnungslosigkeit? Traurigkeit? Nein, ganz sicher nicht! Er würde keinen Schritt zurückweichen!
    »Celestina und ich sind eng befreundet«, bekannte Elija.
    »Wie eng?«, setzte Tristan nach.
    »Sehr eng.«
    Tristan starrte Elija durchdringend an, als könnte er in seinen Augen lesen, wie weit er in mein Bett vorgedrungen war.
    Ich legte meinen Arm um ihn. »Tristan, mein Liebster! Leonardo bittet die Gäste in den Bankettsaal«, versuchte ich zu retten, was noch zu retten war. »Würdest du mich bitte zu meinem Platz geleiten?«
    Dann zog ich ihn mit mir fort und winkte Elija, uns in den benachbarten Bankettsaal zu folgen.
    »Wie konntest du mich so demütigen!«, zischte Tristan so leise, dass Elija, der hinter uns ging, ihn nicht hören konnte.
    Tristan verbiss sich in sein zorniges Schweigen, bis wir unsere Stühle an der langen Tafel erreicht hatten.
    Ich hatte erwartet, dass Elija am Ende des Tisches platziert werden sollte, doch ich hatte mich getäuscht. Der Doge hatte ihm einen Stuhl ganz in seiner Nähe zugewiesen – neben Tristan und mir. Offenbar nahm er an, dass Tristan und Elija sich kannten.
    Tristan schob meinen Stuhl zurecht und ordnete umständlich die Falten meines Rockes. Dann beugte er sich über mich, und seine Finger liebkosten meine linke Schulter.
    »Es tut mir Leid«, flüsterte er bewegt. »Vergib mir meinen Zorn!« Er ergriff meine Hand und küsste den Topasring, das Zeichen unserer Liebe.
    Elija tat, als bemerke er es nicht.
    Leonardo hatte uns stirnrunzelnd beobachtet. Als Antonio Grimani mit dem Buch unter dem Arm uns gegenüber an der Tafel Platz nahm, wandte er den Blick ab und ordnete scheinbar in Gedanken versunken das Silberbesteck neben seinem Teller.
    Antonio Grimani legte seine Hand auf das Buch und hob sein Glas, um auf mein Wohl zu trinken. »Ich beglückwünsche Euch zu Eurem genialen Schlachtplan, Celestina! Ihr könnt gar nicht mehr verlieren! Meinen Respekt – Ihr seid wirklich eine gelehrige Schülerin von Alexander dem Großen.«
    Ich hob mein Glas, trank jedoch nicht. »Ich kann nicht verlieren?«
    Antonio Grimanis großartige Geste umfasste die gesamte Tafel, wo die Gäste sehr geräuschvoll Stühle rückten und miteinander schwatzend Platz nahmen.
    »Nicht, nachdem Ihr jeden Anwesenden zu Eurem Mittäter gemacht habt«, schmunzelte der ehemalige Oberkommandierende der venezianischen Flotte. »Niemand hat den Saal verlassen, nachdem der Doge, der Patriarch, der Kardinal, die Prokuratoren und der Capo des Zehnerrats den Rabbi so zuvorkommend begrüßt haben, den Leonardo Loredan eingeladen hat – auf Euren Wunsch, nehme ich an.
    Niemand hat die Tischgemeinschaft mit einem Juden verweigert, die das vierte Laterankonzil verboten hat – nicht einmal Seine Eminenz, unser sittenstrenger Patriarch Antonio Contarini. Ihr, Celestina, seid ebenso unkonventionell, ja geradezu revolutionär in Euren Ansichten über die Gleichheit aller Menschen wie Jesus Christus.« Antonio Grimani belächelte den giftigen Blick des Patriarchen, während er weitersprach: »Ihr macht uns alle zu Euren Mitwissern, Celestina. Ich bewundere Euch aufrichtig für Eure Unverfrorenheit!« Erneut hob er sein Glas. »Nun bin ich gespannt, was Ihr als Nächstes vorhabt!«
    »Ihr werdet Euch gewiss nicht langweilen, Exzellenz!«, versprach ich ihm mit einem charmanten Lächeln.
    Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Antonio finster zu mir herüberstarrte. Er wirkte nicht glücklich über die Konstellation an der Tafel: Tristan und Elija saßen während des Diners an meiner Seite, während ich mich freundschaftlich mit Antonio Grimani unterhielt.
    »Ich habe Euren Vater als politischen Gegner im Rat der Weisen sehr geschätzt«, gestand Grimani mit einem gehässigen Seitenblick auf meinen Cousin. »Giacomo Tron hatte Charakter: Er ließ sich von keinem Sturm vom festgelegten Kurs abbringen und steuerte sein Lebensschiff stets wohin er

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