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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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sieht gut aus. Er ist gebildet und, wie du, in der Welt herumgekommen: Granada, Alexandria, Paris, Florenz – Menandros hat es mir erzählt. Elija spricht fließend sechs Sprachen. Er kann dich Hebräisch lehren.
    Und im Gegensatz zu mir versteht er offenbar deine Arbeit als Humanistin. Am Pfingstsonntag war Menandros sehr ehrlich zu mir – seine Worte haben schmerzhafte Wunden gerissen. Und sie beginnen gerade wieder höllisch wehzutun.«
    Mit beiden Händen fuhr er sich über das Gesicht.
    »Ich verstehe, dass du dich zu Elija hingezogen fühlst. Das Orientalische reizt dich – und das Verbotene. Und ich weiß, dass ich dir die Liebe zu ihm nicht verbieten kann.
    Wenn du dich mit ihm amüsieren willst, lasse ich dir dein Vergnügen. Und wenn eines Tages das Feuer deiner Leidenschaft ausgebrannt ist, dann komm zurück zu mir. Ich werde auf dich warten, Celestina. Gleichgültig, wie lange es dauert: Ich werde immer auf dich warten!«
    Er küsste mich zart auf die Wange und erhob sich.
    »Wenn du mich suchst, Celestina, dann weißt du, wo du mich finden kannst: in der Hölle!«
    Damit wandte er sich um und verließ mich.
    Tristan hatte Recht: Die Hölle sind wir.

· E LIJA ·
K APITEL 10
    Als Celestina in ihrem Palacio verschwand, atmete ich auf. Als wir den Dogenpalast verließen, hatte sie mir gestanden, dass sie sich vor dem Bettler auf den Stufen von San Vidal fürchte – der Mann, der die Ca’ Tron bewachte, war bereits einmal auf sie losgegangen.
    Vorsichtig spähte ich um die Ecke.
    Der Bettler kauerte auf den Stufen der kleinen Kirche und schien zu schlafen. Wo war der andere? In der Finsternis konnte ich ihn nicht sehen.
    Lautlos schlich ich rückwärts, verschmolz mit den Schatten an den Hauswänden und huschte zur Kirche San Stefano am Nordende des Campos. Am Portal des Seitenschiffes verharrte ich. War ich bemerkt worden?
    Schritt für Schritt tastete ich mich an der Backsteinfassade entlang zur schmalen Gasse, die zum Campo San Angelo und weiter zum Campo San Luca führte. Ich wollte in die Mikwa gehen, um mich zu reinigen. Dann ins Bett. Ich war müde und sehnte mich nach ein paar Stunden Schlaf.
    Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie das Portal der Ca’ Tron aufgerissen wurde – ein Schatten stürmte heraus.
    Tristan?
    Am Gartentor blieb er stehen und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dann eilte er zu dem Bettler auf den Stufen von San Vidal, um kurz mit ihm zu sprechen. Der Mann, der auf der anderen Seite des Campos Celestinas Haus bewachte, huschte zu den beiden hinüber. Auch ihm gab Tristan Anweisungen.
    Daraufhin holte er sein Pferd, das an der Gartenmauer festgebunden war, schwang sich in den Sattel, wendete und trabte über den Platz. Die beiden Männer folgten ihm.
    Tristan ritt direkt auf mich zu. Gleich würde er mich in den Schatten erkennen.
    Zwei hastige Schritte noch, und ich bog um die Ecke in die finstere Gasse. Atemlos huschte ich zum Hauptportal.
    Es war verschlossen.
    Ich warf mich mit der Schulter dagegen – vergeblich!
    Das Hufgetrappel kam immer näher! Gleich würde Tristan in die Gasse einbiegen. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn er mich für einen Attentäter hielt. Seine Männer würden sich mit ihren Dolchen auf mich stürzen, um sein Leben zu schützen.
    Was sollte ich tun? Wohin fliehen? In die Gasse gegenüber? Ausgeschlossen: Sie hätten mich bemerkt!
    Atemlos drückte ich mich in den tiefen Schatten des Portals.
    Tristan bog um die Ecke, und die beiden Männer folgten ihm keuchend. Nicht einmal zwei Schritte von mir entfernt trabte er an mir vorbei. Er bemerkte mich nicht.
    Als er am Ende der Calle dei Frari die Brücke zum Campo San Angelo überquerte, ging ich ihm nach.
    Was war geschehen? Hatten Tristan und Celestina gestritten? Wusste er, dass wir im ›Königreich der Himmel‹ gewesen waren?
    Während ich die Stufen der Brücke über den Rio di San Angelo hinauflief, sah ich Tristan am anderen Ende des Platzes in der Gasse verschwinden, wo das Attentat auf Celestina verübt worden war …
    Die Gasse, die zu meinem Haus führte!
    Ich rannte los, stolperte, raffte mich wieder auf und hastete ihm hinterher – ohne darauf zu achten, ob ich womöglich einem Signor di Notte in die Arme lief.
    Dann hatte ich den Campo San Luca erreicht.
    Wo war Tristan?
    Beunruhigt blickte ich zu meinem Haus hinüber: Kerzenlicht schimmerte aus Davids und Arons Schlafzimmerfenstern.
    Ich lauschte: kein Hufgetrappel, kein Schnauben, keine Schritte. Alles

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