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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Armen. Seine Haare würden versengen, denn sie waren nicht nass wie unsere.
    Während Aron über die flammenlodernden Balken sprang und Tristan »Jetzt du, Elija!« brüllte, barst krachend ein Stück der hölzernen Decke und stürzte mit Donnergetöse herab.
    Ich warf mich gegen Tristan, und wir fielen beide zu Boden. Der Balken verfehlte uns nur um Haaresbreite.
    Dann riss ich mir das nasse Hemd vom Kopf und gab es Tristan, der schwankend aufstand.
    »Elija, das kann ich nicht anneh…«
    »Nimm es, Tristan!« Ich wickelte ihm den nassen Seidenstoff um den Kopf und stieß ihn grob in Richtung des Portals. »Und nun rette dich endlich aus diesem Inferno!«
    Mit einem gewaltigen Satz war er in dem wogenden Flammenmeer verschwunden. Ein weiterer Deckenbalken krachte einen Schritt hinter mir auf die zerberstenden Terrakottafliesen.
    Ich war umgeben von Feuer.
    Die Hitze brannte auf meiner Haut und in meinen Augen, raubte mir den Atem.
    Keuchend nach Luft ringend dachte ich an Sarah und Benjamin, die im Feuer gestorben waren. Ich erinnerte mich an ihre furchtbaren Schmerzensschreie, an ihre Qualen, als die Flammen sich an ihren Beinen hochfraßen, sie bei lebendigem Leib verbrannten. Die Stichflamme, als ihre Haare wie ein glühender Heiligenschein in Flammen aufgingen. Und dann war das Feuer über ihnen zusammengeschlagen.
    Ein Knall, gefolgt von Knirschen und ohrenbetäubendem Donnern. Das Haus begann einzustürzen!
    Ich riss die Arme hoch, um mich gegen das Feuer zu schützen, hechtete über die Balken hinweg, rollte auf dem Boden ab, prallte hart mit der rechten Schulter auf und blieb vom Schmerz benommen liegen.
    Tristan riss mich hoch und schleppte mich hinaus auf die Gasse.
    Ein paar Schritte weiter sanken wir beide hustend auf die Knie, während einige Männer mit Wassereimern an uns vorbeirannten.
    Tristan lehnte neben mir an einer Hauswand, als David zu uns eilte und sich neben uns kniete.
    »Habt Ihr Schmerzen, Signor Venier?«, fragte er besorgt, während er sich über Tristan beugte, um ihn im Schein des Feuers zu untersuchen.
    »Nein«, keuchte Tristan. »Es geht mir gut. Was ist mit Aron?«
    »Der Ewige sei gelobt: Er hat sich die Hände verbrannt, doch ansonsten ist er unverletzt«, antwortete mein Bruder.
    Tristan zog sich mein Seidenhemd vom Kopf und reichte es mir. »Als der brennende Balken auf mich herabstürzte, hast du mir das Leben gerettet, Elija. Ich stehe in deiner Schuld.«
    »Ich danke dir , Tristan. Du hast versucht, Aron und mich aus dem Inferno zu befreien.«
    Er sprang auf. »Ich werde zum Dogenpalast reiten und noch heute Nacht eine Untersuchung des Consiglio dei Dieci anordnen.« Er blickte zu den hoch auflodernden Flammen hinüber. »Das war Brandstiftung!«
    »Wieso glaubst du das?«
    David half mir auf.
    »Erst vor wenigen Minuten bin ich vom Ponte di Rialto durch diese Gasse geritten. Die Fackeln in der Stadt sind seit Stunden gelöscht. Heute ist Sonntag, lange nach Mitternacht … genauer gesagt: Es ist Montagmorgen! Wie kann in dem verschlossenen Kontor ein Feuer ausbrechen? Wenn Aron oder einer seiner Angestellten wie dieser … wie heißt der Junge?«
    »Yehiel ben Jakob Silberstern«, half ich ihm.
    »… wie dieser Yehiel eine brennende Kerze vergessen hätte, wäre das Feuer schon früher ausgebrochen.« Tristan schüttelte den Kopf. »Ich denke, jemand hat das Tor aufgebrochen, im Kontor aber nicht das gefunden, was er suchte. Bevor er den Tesoro öffnen konnte, wurde er durch den Signor di Notte oder die Bewaffneten überrascht, die nachts die Gassen um den Rialto bewachen. Um seine Spuren zu verwischen, hat er Feuer gelegt.«
    In diesem Augenblick stürzte das brennende Haus mit Donnergetöse in sich zusammen. Funken stoben in alle Richtungen, und die mit Wassereimern hin und her eilenden Anwohner schrien entsetzt auf, weil das Feuer auf die benachbarten Häuser und Warenlager überzuspringen drohte.
    »Was könnte er im Kontor gesucht haben?«, fragte ich mit gespielter Naivität. »Mein Bruder hat nie viel Gold im Tesoro.«
    »Was er gesucht hat? Einen Kreditvertrag!«, rief er, wandte sich ab, um zum Dogenpalast zu reiten, und ließ mich völlig verwirrt zurück.
    Warum erwähnte er den Kreditvertrag?
    Aron und Tristan hatten das Darlehen über zehntausend Zecchini bei keinem Notar beglaubigen lassen! Es gab keine Zeugen für das illegale Geschäft, nicht einmal einen Diener in der Ca’ Venier. Tristan hatte bei Aron keine Juwelen als Sicherheit hinterlegt – David

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