Die Evangelistin
ein Tumult, als die Bewaffneten heranstürmen, um Jeschua, der sich die Königswürde anmaßt, gefangen zu nehmen. Einige Pilger werfen sich den Wachen in den Weg, um Jeschuas Leben zu schützen, andere fliehen aus dem Tempel in den Vorhof der Heiden, wo sie in die gezogenen Schwerter der römischen Legionäre laufen.
Ein blutiger Kampf entbrennt im Vorhof der Heiden.
Jehuda und Schimon versuchen, die Tore des Tempels zu schließen, doch es gelingt ihnen nicht. Die Tempelwachen dringen in den Vorhof der Priester ein. Jeschua ist in Lebensgefahr! Er muss fliehen! Wenn er noch länger zögert, werden sie ihn wie ein Opferlamm auf den Stufen des Altars abschlachten! Dann wäre alles umsonst gewesen!
Mit seiner Gemahlin, seinen Kindern und seinen engsten Vertrauten flüchtet Jeschua durch eines der nördlichen Tore in den Vorhof der Heiden, hastet zum Goldenen Tor, das sich zur Straße hinunter zum Tal des Kidron und weiter zum Ölberg öffnet.
Im dichten Olivenhain könnte Jeschua sich während der Nacht verstecken und seine Getreuen um sich versammeln. Der Ölberg bot vor tausend Jahren schon König David eine Zuflucht.
Jeschua kann entkommen!
Erschöpft erreicht er mit seiner Familie den Garten Getsemani in der Nähe des Ölbergs. Er schickt Mirjam mit einigen Bewaffneten fort, um seine Kinder ins Haus seines Schwagers Eleasar zu bringen. Die Getreuen, verletzt und blutend, scharen sich mit Schwertern in der Hand um ihn. Das Tragen von Schwerten ist Juden streng verboten! Bewaffnete können als Rebellen gekreuzigt werden!
›Sieh her, König Jeschua!‹, rufen sie. ›Jeder von uns hat ein Schwert und einen Dolch. Wir können uns gegen die Römer verteidigen.‹ Und Jeschua nickt: ›Das ist genug!‹
Dann lässt er Wachen aufstellen, die das unübersichtliche Gelände des dichten Olivenhains absichern sollen, und zieht sich in die Einsamkeit der Nacht zurück, um an diesem symbolträchtigen Ort zu beten. Nur Schimon Kefa und Jeschuas Cousins Jakob und Johanan ben Savdai begleiten ihren König, um sein Leben zu schützen.
Jeschua verbringt die Nacht im Gebet. Immer wieder drängt ihn Schimon, ein paar Stunden zu schlafen, aber er will es nicht. In dieser Nacht der Entscheidung kann er keine Ruhe finden. Zu viel steht auf dem Spiel: siegen oder sterben!
Während der ganzen Nacht dringt der Kampfeslärm aus der Stadt bis zum Ölberg. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. In der Finsternis der Nacht stellen sich die Gefolgsleute bange Fragen: Was geschieht in Jeruschalajim? Woher kommt der Feuerschein – brennen dort drüben, jenseits des Tempelbergs, die ersten Häuser? Wo sind Jeschuas Brüder Jakob und Jehuda? Sie sind nicht mit ihm aus dem Tempel geflohen! Leben sie noch? Haben die in der Stadt zurückgebliebenen Freunde gegen die schwer bewaffneten Römer überhaupt eine Chance? Oder ist die Rebellion bereits gescheitert, bevor sie richtig begann?
Dann können sie sie hören!
In aller Stille haben die Römer während der frühen Morgenstunden den Ölberg umstellt. Nun entzünden sie Fackeln und kommen Schritt für Schritt näher. Eine ganze Kohorte der zehnten Legion ist für Jeschuas Festnahme* angetreten! Sechshundert … siebenhundert Mann!
›Um Himmels willen!‹, flüstern die Gefolgsleute verzweifelt. ›Wenn die Römer uns gefangen nehmen, werden sie uns ans Kreuz nageln und qualvoll sterben lassen! Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert sterben!, hat Jeschua gesagt. Es ist besser, mit der Waffe in der Hand zu sterben. Als freier Jude!‹ und ›Lasst uns die Prophezeiungen von Sacharja und Joel wahr machen! Am Tag des Herrn findet die Schlacht gegen die Gojim hier auf dem Ölberg statt! Der Tag des Herrn ist gekommen! Gott ist König!‹
Der Kampf um Leben oder Sterben beginnt.
Todesmutig werfen sich die bewaffneten Gefolgsleute auf die römischen Legionäre, die ihre Fackeln fallen lassen und mit blitzenden Schwertern gegen die Juden vorgehen.
Lateinische Kommandos werden gerufen: ›Wo ist Jeschua der Nazoräer? Fasst ihn, bevor er entkommen kann!‹
Die Nacht ist erfüllt vom zornigen Gebrüll der Kämpfenden, von den Schmerzensschreien der Verwundeten, vom Stöhnen der Sterbenden.
Die Römer sind nicht aufzuhalten.
Sie haben den Befehl, Jeschua gefangen zu nehmen und zum Präfekten Pontius Pilatus zu bringen – lebend! Ein spektakulärer Prozess in der Burg Antonia und eine öffentliche Kreuzigung des Rex Iudaeorum vor den Mauern der Stadt wird die aufsässigen Juden davon
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