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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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antwortest nicht, und ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.‹
    Und immer wieder Sarahs gequälte Schreie!
    Dann, am Karfreitag, der lodernde Scheiterhaufen. Sarah und Benjamin in den Flammen. Sie starben, weil ich es nicht fertig brachte, mich selbst zu opfern! Sie starben, und ich lebte weiter.
    Celestina hatte meine Hand ergriffen. »Elija, mein Liebster. Was ist denn?« Liebevoll strich sie mir über das Gesicht.
    Wie gern ließ ich mich von ihr umarmen und küssen! Ihre Wärme und ihre Zärtlichkeit taten mir unendlich gut, und ich genoss sie in vollen Zügen.
    »Du bist so blass, Elija. Und du zitterst. Willst du die Arbeit unterbrechen und in Ruhe dein Gebet sprechen? Menandros und ich könnten so lange nach unten geh…«
    »Ich werde später beten«, winkte ich ab.
    In diesem Augenblick wollte ich auf keinen Fall allein sein! Und ich wollte auch in dieser Nacht nicht allein sein, sondern am nächsten Morgen neben ihr aufwachen. Und ich wollte auch für den Rest meines Lebens nie mehr einsam sein!
    Celestina spürte, was in mir vorging. Sie umarmte mich ganz fest: »Soll ich heute Nacht hier bleiben?«
    »Ja, das wäre schön!«
    Da ließ sie mich los, und ich erhob mich, um ein paar Schritte durch mein Arbeitszimmer zu gehen und mich zu fassen.
    Schließlich drehte ich mich zu Celestina und Menandros um und begann zu erzählen:
    »Jeschua ist zum Sukkot-Fest nach Jeruschalajim gekommen. Nach seiner Salbung auf dem Berg Hermon zum König sendet er seine Gefolgsleute aus, um seinen Einzug in der Hauptstadt vorzubereiten.
    Er kommt von Jericho, wo er vom Volk bereits als König erkannt wurde. Über die Straße, die durch Bethanien führt, erreicht er den Ölberg. Dort hält er inne, um den Tempel auf der anderen Seite des Kidron-Tals zu betrachten.
    Nun betritt er mit seinen Gefolgsleuten die von mehr als hunderttausend Festpilgern überfüllte Stadt. Durch die Scharen von ›Hoscha na‹ singenden und den Lulav-Feststrauß schwingenden fröhlichen Menschen kämpft er sich durch die Gassen bis hinauf zum Tempel. Die Dämmerung sinkt herab, am Himmel leuchten die ersten Sterne. Die Trompeten der Priester kündigen den Beginn des Festes an. Viele erkennen Jeschua, huldigen ihm als gesalbtem König und rufen ihm zu: ›Hoscha na – Erlöse uns, du Sohn Davids!‹ – ›Errette uns von den Römern!‹
    An diesem Tag betet Jeschua wie alle Pilger. Seine Zeit ist noch nicht gekommen!
    Am Abend des ersten Festtages leuchtet der Tempel im Feuerschein der goldenen Menora. Das Licht, das vom Tempel aus die Finsternis der Nacht erhellt, ist ein Zeichen für die Gegenwart Gottes. ›Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein großes Licht‹ – Jesaja Kapitel 9. Eine Verheißung des Reiches unter dem Sohn Davids. Welch eine Symbolik!
    Während der Nacht wird im ersten Vorhof des Tempels gefeiert. Die Frommen tanzen mit Fackeln in der Hand, wirbeln sie herum und fangen sie wieder auf. Die Leviten spielen auf Harfen, Trommeln und Trompeten, die Pilger singen Psalmen. Das ausgelassene Fest dauert die ganze Nacht.
    Am Morgen des zweiten Festtages findet die ›Freude des Wasserschöpfens‹ statt, ein Fest des Dankes für den Segen des vergangenen Jahres, einer der Höhepunkte von Sukkot. Ein Priester schöpft Wasser aus der Shiloah-Quelle und bringt es in einer feierlichen Prozession zum Tempel hinauf. Das Quellwasser wird auf den Altar gegossen. Die Pilger drängen heran, denn keiner will sich diese Zeremonie entgehen lassen, ebenso wenig wie die Prozession der Priester, die mit frisch geschnittenen Weidenzweigen den Altar umkreisen, den hundertachtzehnten Psalm singen und ihre Lulav-Feststräuße schwingen und auf den Boden schlagen.
    Am Abend des zweiten Festtages kehrt Jeschua mit seinen Gefolgsleuten in das nahe gelegene Bethanien zurück, um dort im Haus seines Schwagers zu übernachten. Es ist Schabbat – wir schreiben den 17. Tishri des Jahres 3796, den 8. Oktober 35 der christlichen Zeitrechnung.
    Eleasar, der Bruder seiner Gemahlin Mirjam, hat für ihn seit dem Versöhnungstag Jom Kippur eine prächtig geschmückte Sukka, eine Laubhütte, errichten lassen. Wie alle Festpilger wird Jeschua in den kommenden Tagen dort wohnen, essen, schlafen und beten. Und er wird seine Freunde im Hohen Rat zu sehr ernsthaften Gesprächen empfangen: Joseph von Arimatäa, Nakdimon ben Gorion, vielleicht auch Rabban Gamaliel, den Führer der Pharisäer im Hohen Rat.
    Worüber mögen sie während der langen nächtlichen

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