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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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seine Brüder hat er sich Gott geweiht.« Jakob seufzte resigniert und hoffnungslos – offenbar hatte er die Entscheidung seines Freundes nicht ohne Widerspruch hingenommen. »Das Streben nach Heiligkeit und Vollkommenheit scheint der Familie Ben David schon immer im Blut gelegen zu haben.«

    Wie lange hatte mein Lebensschiff mit flatternden Segeln gegen den Sturmwind gekreuzt, wie lange hatte es vernichtenden Schicksalsschlägen standgehalten! Nun war es an den Klippen zerschellt.
    An die Brüstung der Dachterrasse gelehnt, sah ich zu, wie die Sonne in einem apokalyptischen Inferno aus dem rotglühenden Meer auftauchte. Die Wolken des Himmels brannten lichterloh.
    Was ich in diesem Augenblick fühlte, weiß ich nicht mehr. Da war nur Leere in mir. Finsternis. Stille. Und das Gefühl, mit Elija mich selbst verloren zu haben.
    Wer war ich ohne ihn?
    »Du verlierst dich, wenn du liebst«, sagte Tristan, als er hinter mich trat, mich umarmte und einen Kuss in den Nacken hauchte.
    Ich lehnte mich gegen ihn und genoss seine Wärme.
    »Du hast an ihn gedacht, nicht wahr?«
    »Ich werde ihn niemals vergessen.«
    »Celestina, ich liebe dich, weil du bist, wie du bist«, flüsterte er bewegt und drehte mich zu sich um. »Ich weiß, wie sehr du ihn geliebt hast. Glückselig ist der Mensch, dem du deine Liebe schenkst, deine Zärtlichkeit, deine Leidenschaft und deine tiefsten Gefühle.« Er küsste mich und hielt mich fest. »Mach mich glücklich, Celestina! Liebe mich. Ich sehne mich nach dir. Ohne dich kann ich nicht leben.«

    Wie Tristan sich bemühte, mich aus meiner Traurigkeit zu reißen und mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern! Er hatte sich ein paar Tage frei genommen, die er mit mir verbringen wollte. Mit unseren Pferden und unserem Gepäck – »Keine Bücher!«, darauf hatte er bestanden – ließen wir uns zur Terraferma hinüberrudern und ritten nach Padua.
    Während wir am Spätnachmittag in den Gassen spazieren gingen, hielt Tristan meine Hand und spielte mit dem Topasring. Er machte mir Geschenke – ein Rosenparfum, seidene Handschuhe und einen Fächer – aber auf eine sehr feinfühlige Weise, sodass ich nie das Gefühl hatte, er wolle mich zurückkaufen.
    In jener Nacht in Padua fühlte ich mich in seinen Armen geborgen. Tristan war sehr zärtlich, doch er bedrängte mich nicht, mit ihm zu schlafen.
    Er war so glücklich, dass ich zu ihm zurückgekehrt war!

    Am nächsten Morgen ritten wir weiter nach Ferrara, wo wir zwei Tage blieben. Herzog Alfonso d’Este und seine Gemahlin, die Papsttochter Lucrezia Borgia, empfingen uns im Castello Estense.
    Am Morgen nach dem Empfang besuchten Tristan und ich die Sehenswürdigkeiten von Ferrara: das Geburtshaus von Fra Girolamo Savonarola, der vor Jahren in Florenz die Gottesherrschaft eingeführt hatte und auf Befehl von Papst Alexander VI ., Lucrezias Vater, in Florenz hingerichtet worden war, die Kathedrale und die Arkaden am Seitenschiff des Doms, wo viele kleine Läden geöffnet hatten. Als ich mich – »mit leuchtenden Augen«, wie Tristan glücklich lächelnd bemerkte – durch einen dunklen, verstaubten Buchladen wühlte, fand ich ein sehr seltenes und überaus kostbares Buch, das er mir schenkte.
    Arm in Arm verließen wir den Laden, um die berühmte Via delle Volte zu suchen, eine schmale Gasse, die von malerisch gemauerten Torbögen überschattet war – Lucrezia Borgia hatte mir während des Abendessens davon erzählt.
    Als wir ein paar Schritte gegangen waren, hielt ich plötzlich inne: Wir standen am Eingang zum Judenviertel, wie uns ein Schild auf Hebräisch und Italienisch kundtat. Aus der Synagoge wehte der Gesang der Gläubigen zu mir herüber. Es war Sabbat!
    Der Schmerz zerriss mir fast das Herz, als ich mir vorstellte, wie Elija die Tora zur Kanzel trug, um daraus vorzusingen. Ganz in Gedanken versunken schritt ich – wie an jedem Sabbat seit wir uns begegnet waren – zur Synagoge hinüber.
    Tristan stellte sich mir in den Weg.
    »Celestina!«, flüsterte er zutiefst betroffen. Dann nahm er meine Hand und zog mich fort.
    Wie er sich bemühte, mich auf andere Gedanken zu bringen. Wie behutsam er den Arm um mich legte, mich durch die Stadt zur Via delle Volte führte. Wie zärtlich er mich im Schatten eines der Bögen liebkoste.
    Er war glücklich, als ich ihm seinen Ring wieder an den Finger steckte. Vor Gott und der Welt waren wir wieder ein Paar.

    In jener Nacht, als Tristan mit einem seligen Lächeln eingeschlafen war, lag ich wach.

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