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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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vorbeihuschen wollte, hielt er mich auf: »Er ist nicht allein! Ihr könnt jetzt nicht …«
    »Wer ist bei ihm?«, fragte ich ungeduldig.
    »Seine Exzellenz, der Savio Grande Zaccaria Dolfin. Die Exzellenzen haben eine wichtige Bespre…«
    »Und jetzt hat er mit mir eine wichtige Besprechung.«
    Ich raffte die seidenen Röcke und rauschte an ihm vorbei in den ersten Stock. Hastig stolperte er hinter mir her: Wenn er mich schon nicht aufhalten konnte, wollte er mich wenigstens angemessen bei Seiner Exzellenz ankündigen – vielleicht war die Angelegenheit ja doch wichtig? Immerhin war ich nach so vielen Jahren zum ersten Mal in dieses Haus gekommen.
    Als ich Antonios Arbeitszimmer betrat, erhob er sich – wie ich annahm, wohl mehr aus Verwirrung als aus Höflichkeit. »Celestina!«, flüsterte er.
    Auch Zaccaria Dolfin war aufgesprungen, als er mich erkannte.
    »Mein lieber Zaccaria«, begrüßte ich ihn und hauchte ihm ein »Wie schön, Euch zu sehen!« auf die Wange. Dann ergriff ich seinen Arm und zog ihn zur Tür. »Es ist wirklich schade, dass Ihr schon gehen wollt! Sehen wir uns am nächsten Sonntag in San Marco?«
    Zaccaria warf Antonio einen Hilfe suchenden Blick zu, und mein Cousin nickte stumm.
    Nachdem der Majordomus den Savio Grande hinausgeleitet hatte, ließ ich mich auf den Stuhl vor Antonios Schreibtisch sinken.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte er stirnrunzelnd. »Willst du mir den Krieg erklären?«
    »Nein. Ich will mit dir über annehmbare Bedingungen für einen Frieden verhandeln.« Als er mich verblüfft anstarrte, sagte ich unverfroren: »Setz dich doch, Antonio! Im Sitzen verhandelt es sich besser.«
    Als ich die Dokumente, die ich während der Nacht vorbereitet hatte, zwischen uns auf den Schreibtisch legte, setzte er sich und wartete ab, was ich ihm zu sagen hatte. Er schien verwirrt und verunsichert: Was hatte ich bloß vor?
    »Die Kunst des Krieges hat einige wichtige Regeln, die man beherzigen sollte, wenn man den Kampf nicht nur überleben, sondern auch gewinnen will«, belehrte ich ihn. »Regel eins: Greif an, wenn du stark bist und dein Gegner nicht mit deinem Angriff rechnet, und zieh dich zurück, wenn du schwach bist. Regel zwei: Kämpfe niemals auf Schlachtfeldern, auf denen du nicht gewinnen kannst. Regel drei: Verrate niemandem deine wahren Absichten. Oder auf wessen Seite du eigentlich stehst. Regel vier: Lass dich nie zwei Mal von demselben Mann verraten – nicht einmal, wenn er dein Cousin und damit dein nächster Verwandter ist. Sei erbarmungslos mit dem Verräter!«
    »Stammen diese Regeln von Alexander dem Großen?«
    »Nein, mein lieber Cousin. Sie sind von einem anderen großen Feldherrn: meinem Vater«, erklärte ich, um dann gleich das nächste Gebot zu nennen: »Regel fünf: Kenne deinen Feind wie dich selbst.«
    Er holte tief Luft, als wolle er etwas sagen, schwieg dann aber. Sein Blick irrte zu den Papieren zwischen uns auf dem Tisch.
    »Regel sechs: Schlage den Feind mit seinen eigenen Waffen!« Dann flüsterte ich: »So che hai fatto – Ich weiß, was du getan hast, Antonio.«
    Mein Cousin wurde blass. Seine Hände verkrampften sich um die Lehnen seines Stuhls.
    »Bevor ich dir meine Bedingungen für den Frieden zwischen uns nenne, Antonio, will ich …«
    »Deine Bedingungen?«, brauste er auf. »Du hältst dich allen Ernstes für den Sieger in unserem Kampf?«
    »Aber selbstverständlich!«, lächelte ich zuversichtlich. »Die Anfechtung des Testaments meines Vaters vor fünf Jahren. Dein tätlicher Angriff auf mich und die Vergewaltigungen. Meine Vertreibung ins Exil in Athen. Zwei diffamierende Briefe gegen Tristan und Aron in der Bocca di Leone. Der Zettel an meiner Tür: ›So che hai fatto‹, geschrieben mit Tristans Handschrift. Die illegale Überwachung meines Hauses. Der Kreditvertrag, dessen Betrag und Zinssatz nicht den Bestimmungen der Condotta mit der jüdischen Gemeinde entsprechen und der damit illegal ist. Die Erpressung von Tristan um zehntausend Zecchini. Der Einbruch und der Brand in Aron Ibn Dauds Kontor auf dem Rialto. Das entwendete Kontobuch mit dem Eintrag deiner immensen Schulden bei ihm. Der Mordanschlag auf mich vor einigen Wochen.
    Das alles dürfte ausreichen, dich ins Exil zu schicken – wenn der Consiglio dei Dieci gnädig ist. Wenn nicht, dürfte die Anklage wegen versuchten Mordes zu deiner Hinrichtung führen.«
    »Ich wollte dich nicht umbringen! Ich wollte dir nur Angst machen, damit du aus Venedig

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