Die Evangelistin
Herzogtum erobern. Die Kriege gegen Frankreich haben Venedig ruiniert. Diese erneute Invasion ist eine furchtbare Katastrophe!«
Er seufzte aus tiefstem Herzen. »Die Republik Venedig ist mit Frankreich verbündet. Mit anderen Worten: Als Doge von Venedig unterstütze ich die Eroberung des Herzogtums Mailand, unseres Nachbarn im Westen. Das ist der Grund, weshalb ich mit euch beiden reden will …«
Leonardo war besorgt: Tristan hasste die Franzosen, seit sein Vater Marco Venier in der Schlacht von Agnadello getötet worden war. Mit Leonardos französischer Bündnispolitik war er nie einverstanden gewesen – das hatte er seinem väterlichen Freund sehr nachdrücklich gesagt.
Meine Situation war noch komplizierter: Mein Cousin Gianni würde als Papst und damit als mächtigster Herrscher Italiens gegen die Franzosen kämpfen. Sein Bruder Giuliano, der Bannerträger der Kirche, würde die Heere des Papstes nach Norden führen, um die Franzosen aufzuhalten – und die mit ihnen verbündeten Venezianer.
»Angenommen, König François gelingt, was seinen beiden Vorgängern nicht gelungen ist: die Eroberung Italiens. Muss er, um seinen Triumph vollkommen zu machen, nicht auch Venedig besiegen? Angenommen, den Medici gelingt es, König François vernichtend zu schlagen und aus Italien zu verjagen. Wird Papst Leo dann nicht gegen Venedig marschieren, um die aufsässige Republik endlich dem Kirchenstaat einzuverleiben? Um in Venedig römische Bischöfe zu ernennen und die Inquisition einzuführen? Gott steh uns bei!«
Leonardo ließ uns Zeit, über seine Worte nachzudenken.
»Der Löwe von San Marco muss stark sein!«, drang er schließlich in uns. »Ich bin achtundsiebzig Jahre alt und, wie ihr wisst, sehr krank. Vielleicht wird die Serenissima schon in wenigen Monaten einen neuen Dogen wählen.
Tristan, Celestina, Venedig braucht euch! Könnt ihr euch denn nicht endlich auf einen Hochzeitstermin einigen?«
Am nächsten Morgen fühlte ich mich so elend, dass ich Alexia bat, einen Arzt zu holen.
Zuerst hatte ich angenommen, es wären Nebenwirkungen des Opiums, das Menandros mir nach der Trennung von Elija gegeben hatte. Denn sobald ich kein Opium mehr nahm, hatte sich mein Zustand gebessert. In Padua und Ferrara hatte ich mich gut gefühlt – bis zu jener Seereise zurück nach Venedig. Seit diesem Tag war ich krank.
Die Trennung von Elija, die mir das Herz zerriss. Die Friedensverhandlungen mit Antonio und die Überschreibung des Athener Palastes an meinen Cousin. Das Gespräch mit Aron und der schmerzliche Verlust des Schmucks meiner Mutter. Elija weinend am Fenster. Leonardos Drängen auf eine Hochzeit. Das alles war zu viel für mich!
Am Sonntagnachmittag – Tristan befand sich in einer endlosen Sitzung des Maggior Consiglio – war ich zusammengebrochen. Menandros hatte mich ins Bett gebracht und nicht einen Augenblick allein gelassen. Stundenlang hatte er neben mir auf dem Bett gelegen, bis ich endlich eingeschlafen war.
Als ich an diesem Morgen erwachte, fühlte ich mich elender denn je! Und so bat ich Alexia, einen Arzt zu holen.
Eine halbe Stunde später betrat David mein Schlafzimmer, setzte sich auf das Bett und küsste mich auf beide Wangen. »Was ist mit dir?«, fragte er und strich mir über das zerwühlte Haar. »Alexia sagte mir, du wärst schon seit Tagen krank.«
Ich nickte und kämpfte wieder gegen die Übelkeit an.
»Hast du Fieber?« David legte mir die Hand auf die Stirn.
»Nein«, würgte ich und atmete tief durch.
»Ist dir jeden Morgen übel?«, fragte er und ergriff meine Hand, um den Puls zu messen.
»Mhm.«
»Hast du Schmerzen im Unterleib?«
»Mhm.«
»Darf ich dich untersuchen?«
Als ich nickte, schlug er das dünne Laken zurück. Er befühlte meine schweißnassen Brüste, was mich sehr verwunderte. Ich sah ihm ins Gesicht, aber David tat, als empfände er nichts, wenn er mich derart intim berührte. Ganz sanft strich seine Hand über meinen Bauch, glitt tiefer, fühlte, tastete … streichelte.
Seufzend zog er das Laken über mich. Er wirkte so traurig!
»Was ist?«, fragte ich ängstlich.
»Celestina, du bist schwanger.«
»Was?«
»Es muss vor vier oder fünf Wochen passiert sein – das kann ich nicht genau sagen.«
»David, ich kann nicht …« Dann verstummte ich.
In den zwei Jahren meiner Beziehung zu Tristan war ich nicht schwanger geworden. Ich hatte geglaubt, ich könnte nach den brutalen Vergewaltigungen vor fünf Jahren kein Kind mehr bekommen. Und nun
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