Die Evangelistin
Vertreibung der Juden aus Venedig unterlässt.«
Er nickte.
»Drittens: Du wirst Tristan die zehntausend Zecchini, die du von ihm erpresst hast, in den nächsten Tagen zurückerstatten.«
»Das werde ich.«
»Viertens: Du überlässt mir Aron Ibn Dauds Kontobuch, damit ich es ihm wiedergeben kann.«
Wortlos erhob sich Antonio, holte das große Buch aus seinem Tesoro und reichte es mir.
Ich blätterte in dem Folianten, bis ich den Eintrag seines Kredites fand. Dann riss ich die Seite heraus und hielt sie in die Flamme der Kerze auf dem Schreibtisch, bis sie in meiner Hand verbrannte. Den verglühenden Rest warf ich auf den Boden und trat ihn aus.
Danach reichte ich ihm die Feder aus dem Tintenfass, damit er die Verträge und die Vollmacht unterschreiben konnte.
Während er dies tat, fragte er: »Weiß Tristan von unserem Gespräch?«
»Nein, und ich will, dass das so bleibt.«
Er gab mir die drei Dokumente zurück. »Habt ihr euch entschlossen, doch noch zu heiraten?«
Ich lächelte. »Möchtest du eine Einladung zu unserer Hochzeit?«
Auf mein Klopfen öffnete Judith.
»Kann ich einen Augenblick mit Aron sprechen?«
»Komm herein!«, bat sie mich freundlich und schloss die Tür hinter mir. »Elija, David und Aron beten gemeinsam in Elijas Arbeitszimmer. Warte einen Augenblick! Ich werde ihn holen.«
»Danke, Judith.« Ich drückte das Kontobuch und das hölzerne Kästchen gegen meine Brust.
»Du bist blass«, sorgte sie sich. »Es geht dir nicht gut.«
»Seit Elija mich verlassen hat, fühle ich mich miserabel«, gestand ich leise.
»Willst du dich setzen?« Sie wies die Treppe hinauf, wo sich die Wohnräume befanden.
Ich schüttelte den Kopf. »Würdest du bitte Aron holen?«
Sie nickte mitfühlend und verschwand.
Wenig später kam er die Treppe herunter. Er trug noch den Tallit um die Schultern. Er schloss mich herzlich in die Arme und küsste mich auf beide Wangen.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich leise.
»Er leidet – so wie du.«
Ich biss mir auf die Lippen. »Du hast auch die Gelübde des Nazirats abgelegt?«
»Ja.«
»Was ist mit deiner Hochzeit mit Marietta?«
»Ich weiß es nicht«, gestand er traurig.
»Ihr wart so glücklich miteinander.«
»So wie Elija und du«, erwiderte er. »Warum bist du gekommen?«
»Ich will dir dein Kontobuch zurückbringen …«
Erstaunt nahm er das große Buch entgegen.
»… und eine Schuld begleichen. Dies ist eine Vollmacht, unterschrieben von Antonio Tron, die mich berechtigt, seinen Kredit bei dir zu tilgen und den Kreditvertrag von dir zu erhalten.« Dann reichte ich ihm das Schmuckkästchen. »Und dies ist der Schmuck, den mir meine Mutter vererbt hat. Er ist sehr alt – er stammt aus dem Familienbesitz der Florentiner und Athener Medici. Ich bitte dich, die Diamanten, Perlen und Saphire für mich zu verkaufen. Der Erlös wird einen großen Teil der Schulden decken. Wegen der restlichen Summe schick Yehiel zu mir, damit ich weiß, wie viel ich dir noch schulde.«
Der Schmuck war die einzige Erinnerung an meine Mutter, die ich noch besaß – da ihre sterblichen Überreste wegen der Pest verbrannt worden waren, hatte sie kein Grab!
»Ich kann das nicht anneh…«
»Ich will es so!« Dann zog ich mir den Ring vom Finger, den Elija mir in Murano gekauft hatte. »Dieser Ring bedeutet mir mehr als die Diamanten und Saphire. Würdest du ihn bitte Elija geben?«
»Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein, Aron. Für das, was ich Elija gern sagen will, würden alle Worte dieser Welt nicht ausreichen.«
Ich rang mit den Tränen, flüsterte »Schalom!« und floh hinaus auf den Campo.
Bevor ich auf mein Pferd stieg, sah ich nach oben.
Am Fenster seines Arbeitszimmers stand Elija. Er hatte den Gebetsmantel über den Kopf gezogen und blickte zu mir herunter. Dann barg er mit beiden Händen das Gesicht im Tallit.
David erschien neben ihm am Fenster, warf mir einen traurigen Blick zu, legte den Arm um die Schultern seines Bruders und zog ihn fort vom Fenster.
Leonardo war sehr aufgewühlt, als er Tristan und mich am Sonntag nach dem Gottesdienst in San Marco zum Mittagessen bat. Er hätte etwas sehr Ernstes mit uns zu besprechen.
»Tristan, Celestina, es wird Krieg geben«, erklärte uns der Doge ernst. »König François sammelt ein gewaltiges Heer. Die Franzosen werden in einigen Tagen in Italien einmarschieren – zum dritten Mal seit 1494 und 1499. François hat sich schon bei seiner Krönung zum Herzog von Mailand erklärt. Er will das
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