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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Betlehem, die Stadt Davids.
    Und falls Elija nicht mehr nach Venedig zurückkehren wollte, würden wir eben dort leben. Alles würde ich für ihn aufgeben!
    Doch wenn Tristan in der Morgendämmerung erschienen wäre, um mir zu sagen, dass Elija sich für den Tod entschieden hatte, dann hätte ich diese Liste ins Feuer geworfen. Meine hoffnungsvollen Träume wären in den Flammen verbrannt.
    Das Warten war eine Qual.
    Der Morgen dämmerte bereits.
    Warum dauert diese Prozesssitzung so lang?, fragte ich mich zutiefst besorgt. Was ist bloß geschehen?
    Ich legte die Liste zur Seite und erhob mich, um zu den Fenstern der Bibliothek hinüberzugehen.
    Zu meinen Füßen glitten die ersten Gondeln vorüber. Die Boote mit den Laternen zogen Lichtspuren hinter sich her, die golden auf dem Wasser schimmerten. Ein zauberhafter Anblick, der mir an diesem Morgen jedoch kein Lächeln entlocken konnte.
    »Sie kommen!«, hörte ich Alexia unten am Portal aufgeregt rufen. »Sie sind schon da!«
    Ich war unfähig, die Treppe hinunter in Tristans Arme zu fliegen, um ihn atemlos zu fragen, wie Elija sich entschieden hatte. Ich hatte furchtbare Angst vor der Enttäuschung.
    ›Dies ist mein Blut, das für viele vergossen wird.‹
    Blicklos starrte ich auf die im ersten Morgenlicht erglühenden Wellen des Canal Grande, die Palazzi, den Himmel über Venedig, und wartete mit angehaltenem Atem auf die schreckliche Nachricht.
    Welches würden Tristans erste Worte sein? Würde er mich in den Arm nehmen und küssen, um mich zu trösten?
    Ich wollte aber nicht getröstet werden, wenn mir die Liebe meines Lebens aus dem Herzen gerissen wurde! Ich wollte weinen, bis ich keine Tränen mehr hatte.
    »Celestina!« Tristan trat in den Raum. David war bei ihm.
    Sie wirkten beide so erschöpft!
    Tristan umarmte mich. »Celestina, mein Schatz!«, flüsterte er.
    Dann umarmte mich auch David.
    »Wie hat Elija sich entschieden?«, fragte ich atemlos.
    »Er hat sich für ein Leben mit dir entschieden«, sagte David bewegt. Er zog etwas aus der Tasche und reichte es mir. »Diesen Ring soll ich dir geben. Er hat ihn dir an Weihnachten geschenkt, weil er sich in der Synagoge mit dir verloben wollte. Seit jener furchtbaren Nacht, in der er verhaftet wurde, hatte er die beiden Ringe bei sich. Er trägt seinen, Celestina, und er bittet dich, deinen zu tragen.«
    Ein Ring aus Glas – zerbrechlich wie unsere Liebe, dachte ich, als ich den Ring an meinen Finger steckte.
    »O David, ich bin so glücklich!«, schluchzte ich und fiel ihm um den Hals.
    David hielt mich fest. »Und noch etwas soll ich dir ausrichten, Celestina. Er sagte, wenn der Prozess beendet sein wird, dann will er dich heiraten. In San Marco. Er hat Tristan gefragt, ob er euer Trauzeuge sein will.«
    Weinend presste ich mein Gesicht gegen Davids Schulter.
    Ich war so glücklich und doch so unglücklich!
    Elija hatte sich gegen den jüdischen Glauben und für den christlichen entschieden – er tat es für mich!
    David ahnte wohl, was mich quälte. »Du hast doch dasselbe für ihn getan«, tröstete er mich. »Alles hast du für ihn aufgegeben. Du warst bereit, zum Judentum zu konvertieren – mit allen Konsequenzen. Du hast es nur nicht getan, weil er es nicht wollte – du hättest die Ca’ Tron verloren, die dir so viel bedeutet. Alles hast du für ihn aufgeben: dein Vermögen, das du deinem Cousin Antonio überschrieben hast, dein Ansehen als Humanistin. Mit stolz erhobenem Kopf hast du dich von Zaccaria Dolfin als Judenhure beschimpfen lassen. Und indem du mit Jakob das Königreich der Himmel geschrieben hast, um Elijas Leben zu retten, hast du auch noch seine Liebe zu dir aufs Spiel gesetzt.« Er strich mir über die Wange. »Elija hat dasselbe für dich getan, Celestina! Er gibt alles auf, um mit dir glücklich zu sein!«
    Ein stechender Schmerz raubte mir den Atem.
    »Netanja?«, fragte David besorgt.
    Ich nickte.
    »Du musst dich schonen!« David nahm mich auf die Arme und trug mich zu dem Sessel vor dem flackernden Kamin.
    Tristan und er zogen sich Sessel heran und setzten sich zu mir.
    »Celestina, wir müssen mit dir über den Prozess sprechen«, begann Tristan. »Im schlimmsten Fall kann er sich Wochen, wenn nicht sogar Monate hinziehen. Die Inquisitoren waren äußerst überrascht, als ich ihnen während der Verhandlung das Königreich der Himmel vorgelegt habe. Die nächste Sitzung des Inquisitionstribunals findet erst in einer Woche statt, am Montag nach Epiphanias. Eine Kommission

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