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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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aus franziskanischen und dominikanischen Theologen wird das Buch auf häretische Gedanken prüfen. Erst wenn ihr Gutachten vorliegt, wird der Prozess fortgesetzt. In der Zwischenzeit wird sich Elija auf die Verteidigung seiner Thesen vorbereiten – David darf ihm die Bücher bringen, die er dafür benötigt.«
    Tristan holte tief Luft.
    »Machen wir uns nichts vor: Es wird ein Kampf auf Leben und Tod. Die Inquisitoren werden Erkundigungen in Spanien einziehen und von Juan de Santa Fés Glaubensdisputationen mit Kardinal Cisneros erfahren. König Fernando von Aragón liegt im Sterben. Der Großinquisitor wird das Land regieren, sobald der König tot ist. Als Regent wird Kardinal Cisneros auf diesen Inquisitionsprozess Einfluss nehmen, um Elija doch noch in die Knie zu zwingen – ganz gleich zu welchem Glauben er sich nun bekennt. Zwei Attentate auf Elija sind gescheitert, doch nun ist er in den Händen der venezianischen Inquisition! Cisneros wird nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten, was geschehen wird!
    Und auch Zaccaria Dolfin wird die Glut des Misstrauens schüren, bis die Flammen hochschlagen. Jede Äußerung Elijas wird er für ein Lippenbekenntnis eines perfiden Juden halten, eines gefährlichen Häretikers, der sein Leben retten will. Was immer Elija sagt oder tut – Zaccaria wird ihm kein Wort glauben.
    Und wie sich unser sittenstrenger Patriarch verhalten wird, der Venedig immer wieder mit Sodom und Gomorrha vergleicht, das weiß ich nicht. Ich hoffe sehr, dass er den Prozess gegen Elija nicht in seinen Sonntagspredigten erwähnt, um Feuer und Schwefel auf die gottlosen Venezianer herabregnen zu lassen, die mit Juden ins Bett gehen.«
    Atemlos hörte ich zu, als Tristan weitersprach:
    »Wir haben einflussreiche Gegner, Celestina! Aber vielleicht haben wir den mächtigsten aller Verbündeten – Seine Heiligkeit, den Papst! David und ich haben nach der Prozesssitzung lange mit Elija gesprochen. Er ist einverstanden, wenn du an Papst Leo schreibst.
    Angelo, sein Sekretär, war zum jüdischen Lichterfest nach Venedig gekommen, um wegen der Hochzeit von Aron und Marietta mit Elija zu sprechen. Er hat ihm eine päpstliche Bulle vorgelegt, die Elijas Exkommunikation aufhebt, falls er sich unterwirft und widerruft. Leo hat ihm ja sogar die Ernennung zum Erzbischof in Aussicht gestellt, doch Elija hat abgelehnt. Seit den Friedensverhandlungen mit König François ist der Papst in Bologna. Ich bin sicher: Wenn du an ihn schreibst …«
    »Ich werde mit ihm reden«, entschied ich. »Ich werde zu ihm nach Bologna reisen.«
    »Das ist viel zu gefährlich!«, widersprach David energisch. »Du kannst nicht reisen. Du wirst das Kind verlieren!«
    »Ich kann keinen Boten mit einem Brief zu Gianni schicken! Bologna gleicht einem Heerlager, seit der Hof des Papstes in der Stadt ist. Die päpstliche Verwaltung funktioniert nicht wie in Rom. Ein Bote kann meinen Brief nur bei einem Sekretär abgeben – wer weiß, wann Gianni ihn lesen wird. Ich aber klopfe an die Tür des Papstes. Er wird mich sofort empfangen.«

    Eine Stunde später brachen wir auf.
    Ich war erleichtert, dass David mich begleitete. Wäre das Kind während der anstrengenden Reise nach Bologna geboren worden, so wäre er als Arzt bei mir gewesen.
    Zwei von Tristans Dienern ruderten uns, das Gepäck und die Pferde zur Terraferma. David hatte darauf gedrängt, dass ich im Reisewagen fuhr, wo ich vor Wind und Wetter geschützt in Pelze gehüllt auf weichen Kissen liegen konnte, doch ich hatte abgelehnt. Die Reise hätte um Tage länger gedauert!
    An diesem ersten Tag ritten wir bis Padua, wo wir in der Herberge, in der Tristan und ich schon so oft übernachtet hatten, eine warme Mahlzeit einnahmen. Am nächsten Morgen reisten wir weiter nach Rovigo, dann überquerten wir am dritten Tag den Po und erreichten gegen Abend Ferrara.
    Rabbi Samuel, der Elija und mich während unserer Flucht nach Rom so freundlich in seinem Haus aufgenommen hatte, bat uns sofort herein, als David an seine Tür klopfte und um ein Bett für eine Nacht bat.
    »Zum Papst wollt Ihr?«, staunte er beim Abendessen. »Er ist nicht mehr in Bologna. Der päpstliche Hof ist vor fünf Tagen abgereist. Nach Florenz – und womöglich weiter nach Rom.«
    Nicht nach Rom!, flehte ich. Das konnte ich nicht schaffen. Die Reise war viel zu anstrengend.
    Früh am nächsten Morgen brachen wir nach Bologna auf, das wir am Abend erreichten. Rabbi Samuel hatte Recht gehabt: Gianni war sechs

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