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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Tage zuvor abgereist. Er war schon auf dem halben Weg nach Rom – in Florenz oder in Siena.
    Nach einer schlaflosen Nacht quälte ich mich am nächsten Morgen wieder in den Sattel, um mit David die Berge und Täler des Apennin zu durchqueren.
    Als wir nach zwei anstrengenden Tagen am 6. Januar endlich Florenz vor uns liegen sahen, wäre ich vor Erschöpfung beinahe aus dem Sattel gestürzt.
    Durch die Porta San Gallo erreichten wir die Via Larga, die in südlicher Richtung zum Dom Santa Maria del Fiore führte.
    An diesem Tag, dem Fest der Heiligen Drei Könige, zog eine große Prozession durch die Stadt. Die drei Weisen aus dem Morgenland ritten prächtig gekleidet durch die Straßen, besuchten König Herodes in seinem Palast und huldigten dem Jesuskind in der Krippe. Auch der Kindermord von Betlehem wurde dramatisch inszeniert – mit viel blutroter Farbe.
    Es war ein großartiges Spektakel!
    Vorbei am Kloster San Marco, an Montefiores Haus und am Palazzo Medici bahnten wir uns einen Weg durch die dicht gedrängte Menge auf der Via Larga in Richtung Piazza del Duomo.
    Dort sah ich ihn: Fröhlich winkend stand er auf den Stufen der Kathedrale Santa Maria del Fiore und segnete die jubelnde Menge. Ich atmete auf: Gianni war in Florenz!
    Am Baptisterium auf der Piazza del Duomo folgten wir den ausgestreckten Armen der Florentiner, die uns den Weg zum Konvent Santa Maria Novella wiesen. Dort wohnte der Papst mit seinem Gefolge.
    Gianni empfing mich gleich nach der Epiphanias-Prozession, riss mich in seine Arme und küsste mich herzlich.
    In atemlosen Worten erklärte ich ihm, was geschehen war. Entsetzt versprach er, sich für Elija einzusetzen. Sofort rief er nach Angelo, der zwei Bullen verfassen sollte, die Elijas und meine Exkommunikation aufhoben: »Abschrift an Kardinal Cisneros! Der Bote soll heute noch nach Spanien aufbrechen!«
    Angelo wollte gerade davoneilen, um die Bullen zu diktieren, als Gianni ihn noch einmal zurückrief:
    »Und setz einen persönlichen Brief an Elija auf, in dem ich ihm verspreche, ihn zum Erzbischof zu ernennen. Sein Buch hat mich sehr beindruckt – als Humanist wie als Theologen. Datiere das Schreiben auf Ende August letzten Jahres, als Celestina und Elija in Rom waren. Nun mach schon!«, scheuchte er ihn hinaus. »Celestina will die Dokumente mitnehmen, wenn sie morgen Früh nach Venedig zurückkehrt.«
    Angelo rauschte aus dem päpstlichen Arbeitszimmer.
    »Überall bin ich Papst, nur nicht in Venedig!«, seufzte Gianni. »Ich hoffe sehr, dass ich Elija helfen kann! Seine Entscheidung, den jüdischen Glauben aufzugeben, ist sehr mutig. Ich bewundere ihn aufrichtig! Bitte sag ihm: Meine Gedanken und Gebete gelten ihm!«
    In der Morgendämmerung des nächsten Tages brachen David und ich nach Ravenna auf, das wir zwei Tage später erreichten. In einem nahe gelegenen Fischerdorf bestiegen wir ein Schiff, das uns sicher nach Venedig zurückbrachte.
    Vom Hafen aus ließen David und ich uns durch den Canal Grande zur Ca’ Venier rudern, wo wir Tristan die päpstlichen Bullen und Giannis Brief an Elija aushändigten.
    Wie erleichtert er war! Er versprach, dem Inquisitionstribunal und dem Rat der Zehn noch vor der nächsten Prozesssitzung Abschriften der päpstlichen Schreiben vorzulegen.
    »David, ich weiß, du bist müde von der langen Reise und willst sicher schlafen.« Tristan legte Elijas Bruder die Hand auf die Schulter. »Aber könntest du bitte heute noch nach Elija sehen? Ich mache mir Sorgen um ihn: Er ist sehr krank und glüht vor Fieber. Die eisige Kälte in den Pozzi macht ihm zu schaffen.«

    »Acqua alta!«
    Aufgeregt riss mich Alexia aus dem Schlaf. »Acqua alta! Das Wasser steigt!«
    Erschrocken setzte ich mich im Bett auf. Es war finstere Nacht, ein heftiger Sturm tobte, und der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben – wie schon seit Tagen. Seit meiner Rückkehr aus Florenz.
    Um Gottes willen!, dachte ich. Es ist Vollmond. Und gestern war starker Südwind.
    Acqua alta!
    »Die Flut drückt das Wasser in die Stadt.« Alexia zog mir die Bettdecke weg und half mir aus dem Bett. »Ich konnte nicht schlafen und bin hinuntergegangen. Das Erdgeschoss ist schon überflutet, und das Wasser steigt immer weiter. Ich fürchte, das wird eine Sturmflut!«
    Auf Alexia gestützt eilte ich zum Fenster, um zum Canalazzo hinunterzusehen. Hohe Wellen schwappten gegen die Fundamente der Häuser. Losgerissene Gondeln trieben mit der Flut durch den Kanal.
    »Wie hoch steht das Wasser auf

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