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Die Evangelistin

Die Evangelistin

Titel: Die Evangelistin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Hoffnungen und seine Ängste. Ich glaube, wenn Gianni das Gefühl hätte, ich würde ihn anlügen oder hintergehen, dann würde er mir nie mehr schreiben. Ein Papst hat keine Freunde im Vatikan. Deswegen hätte er mich sehr gern in seiner Nähe.«
    »Wirst du nach Rom gehen?«
    »Ich liebe Venedig zu sehr, um noch einmal fortzugehen.«
    Elija bemerkte die Traurigkeit in meinem Blick. »Erzähl mir, warum du ins Exil gehen musstest!«
    Ich seufzte aus tiefstem Herzen. »Bis jetzt hatten die Götter es gut mit mir gemeint. Meine Kindheit war glücklich gewesen. Ich hatte eine hervorragende Erziehung genossen und wundervolle Freunde gewonnen. Ich war Humanistin geworden wie mein Vater, der sehr stolz auf mich war.
    Doch nach dem Aufstieg, wenn man den höchsten Gipfel des Erfolges, des Ruhmes, des Glücks erreicht hat, gibt es nur noch einen Weg, und der führt abwärts. Ins Unglück. Mein Abstieg begann im Mai 1509, als die Nachricht vom Tode meines Vaters in Venedig eintraf.«
    Elija legte seinen Arm um mich, als könnte er mich so vor den furchtbaren Erinnerungen schützen.
    »Ich erinnere mich, wie Leonardo Loredan mitten in der Nacht in unser Haus kam, um uns selbst diese traurige Botschaft zu überbringen. Giacomo Tron war sein bester Freund gewesen. Leonardo redete nicht lange herum, und dafür war ich ihm dankbar. ›Dein Vater ist tot, Celestina. Er fiel gestern in der Schlacht. Er starb wie ein Held für die Freiheit Venedigs‹, sagte er. Leonardo und ich hatten oft genug über den Krieg des Papstes gegen Venedig gesprochen.
    Ich habe stumm die Fäuste geballt und nicht eine Träne geweint. Leonardo war entsetzt über meinen Zorn. Mit welchem Recht hatte Julius, jener eroberungssüchtige Papst, meinen Vater getötet? Mit dem Recht der Macht! Und mit welchem Recht versagte er ihm die Totenmesse – Julius hatte das Interdikt über Venedig verhängt. Mein Hass auf diesen Papst war grenzenlos. Ich war so verbittert, dass ich lange keine Kirche mehr betrat, auch nicht, als das Interdikt wieder aufgehoben wurde. Wenige Monate später starb meine Mutter an der Pest, die die Kriegsflüchtlinge nach Venedig gebracht hatten. Und drei Tage nach dem Tod meiner Mutter stellte ich bei mir selbst die ersten Symptome der furchtbaren Krankheit fest.«
    »Um Himmels willen!«
    »Nach dem Tod meiner Mutter war die Dienerschaft fortgelaufen, und ich war ganz allein in dem großen Haus. Tristan kümmerte sich rührend um mich. Er wich nicht mehr von meiner Seite, gab mir zu essen und zu trinken, deckte mich zu, schlief neben mir im Bett, hielt mich in den Armen, als ich mich im Fieberwahn hin und her warf – obwohl er sich hätte anstecken können. Ich hatte hohes Fieber und war so geschwächt, dass ich beinahe gestorben wäre.
    Ich kann mich erinnern, wie Tristan neben meinem Bett kniete und Gott anflehte, mich doch zu verschonen. Und als das Fieber weiter stieg, brüllte er Ihn zornig an und drohte Ihm sogar. So verzweifelt und wütend hatte ich Tristan noch nie gesehen, nicht einmal nach dem Tod seines Vaters, der in derselben Schlacht gefallen war wie meiner. Tristan war völlig außer sich. Auf keinen Fall wollte er mich verlieren. Fünf Tage und Nächte rang er mit Gott, und er gewann, weil er die Hoffnung nie aufgegeben hatte. Ich überlebte.«
    »Der Herr sei gepriesen!«
    »›Der Herr hat gegeben, und der Herr hat genommen‹ – Hiob mag Ihn für seine Gerechtigkeit gepriesen haben. Ich tat das nicht.«
    »Was ist geschehen?«
    »Mein Cousin Antonio hat das Testament meines Vaters angefochten, in dem er mir seinen gesamten Besitz hinterließ. Die Ca’ Tron am Canalazzo, das große Haus unterhalb der Akropolis von Athen, seine kostbaren Bücher, sein großes Vermögen.«
    »Aber warum?«, fragte Elija bestürzt.
    »Antonio will Doge werden. Das ist auch ohne gekaufte Wahlstimmen eine äußerst kostspielige Angelegenheit. Mein Cousin war nie so reich wie mein Vater. Während der Kriege gegen Sultan Bajazet und Papst Julius hat er sein gesamtes Vermögen verloren. In jener furchtbaren Nacht, als das Arsenale in die Luft flog und die Galeeren und der halbe Stadtteil Castello niederbrannten, wurde auch sein herrlicher Palazzo zerstört. Mit dem Vermögen, das ich geerbt hatte, konnte er sich seinen Weg zum Palazzo Ducale mit Goldzecchini pflastern. Leonardo Loredan, der beste Freund meines Vaters, der sich wie ein zweiter Vater um mich kümmerte, war der Testamentsvollstrecker. Leonardo und Antonio sind verfeindet. Mein

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