Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
aus. Wir fühlen uns wie Sultansfrauen, die schon lange abgeschirmt in diesen Zimmern leben. Schon immer haben wir daheim maurische Kleidung getragen und zuweilen auch zu festlichen Anlässen, deshalb ist uns das Rascheln von Seide und das leise Klatschen von Pantoffelsohlen auf Marmorböden vertraut. Doch nun bekommen wir unsere Unterrichtsstunden in den ehemaligen Räumen der Sklavinnen und lustwandeln in Gärten, die zum Ergötzen der Lieblingsfrauen des Sultans angelegt wurden. Wir essen ihre Früchte, wir schlemmen ihre Sorbets, wir binden ihre Blumen zu Kränzen und setzen sie auf unser Haupt, und wir laufen durch ihre Alleen, auf denen morgens schwer der süße Duft von Rosen und Geißblatt lastet.
Wir baden im Schweißbad, im Hamam; stocksteif stehen wir da, während die Dienerinnen uns mit schäumender Blumenseife waschen. Dann gießen sie Krug um Krug warmes Wasser über uns aus, von Kopf bis Fuß, um die Seife abzuwaschen. Wir werden mit Rosenöl gesalbt, in weiche Tücher gehüllt und liegen halb trunken vor sinnlichem Vergnügen auf dem warmen Marmortisch, der den größten Teil des Bades einnimmt. Über uns wölbt sich die goldene Decke, deren sternenförmige Öffnungen blendende Sonnenstrahlen in die schattige Friedlichkeit dieses Ortes einlassen. Ein Mädchen pedikürt unsere Füße, während ein anderes sich den Händen widmet, die Nägel feilt und zierliche Henna-Ornamente aufmalt. Wir lassen uns von der alten Frau die Augenbrauen zupfen und die Wimpern färben. Wir werden bedient, als wären wir Sultaninnen, wir genießen zur selben Zeit die Reichtümer Spaniens und den Luxus des Orients. Gern geben wir uns den Freuden dieses Palastes hin. Wir sind seine Gefangenen, wir unterwerfen uns dem sinnlichen Vergnügen - wir, die sogenannten Sieger.
Selbst Isabel, die vor Trauer um ihren verstorbenen Gemahl fast versteinert war, beginnt wieder zu lächeln. Selbst Juana, die meist so mürrisch ist, findet ihren Frieden. Und ich werde das Schoßkind des Hofes, der Liebling der Gärtner, die mich Pfirsiche pflücken lassen, der Liebling des Harems, wo man mir das Tanzen und das Singen beibringt, und nicht zuletzt der Liebling der Küche, wo man mich bei der Zubereitung der süßen Kuchen und der arabischen Honig- und Mandelgerichte zuschauen lässt.
Mein Vater empfängt ausländische Gesandte im Saal der Botschafter und führt sie, gemächlich wie ein Sultan, zu Gesprächen ins Badehaus. Meine Mutter sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Thron der Nasriden, die generationenlang hier geherrscht haben. Ihre bloßen Füße stecken in weichen Lederpantoffeln, die reichen Falten des Kamiz umspielen ihren Körper. Aufmerksam lauscht sie den Gesandten des Papstes - und das in einem Gemach mit bunt gekachelten Wänden und heidnischem Licht! Doch so ist sie es gewöhnt, wuchs sie doch im Alcazar von Sevilla auf, der auch ein maurischer Palast ist.
Wir lustwandeln in ihren Gärten, baden in ihrem Hamam, laufen in ihren duftenden Lederpantoffeln und leben ein Leben, das kultivierter und luxuriöser ist als alles, wovon man in Paris oder London oder Rom nur träumen kann. Wir leben in Anmut. Wir leben so, wie wir es immer wollten: wie die Mauren. Unsere christlichen Glaubensbrüder hüten Ziegen in den Bergen, beten an Hügelgräbern zur Heiligen Jungfrau, werden von Aberglauben und Krankheiten geplagt, fristen ihr Dasein in Schmutzigkeit und sterben jung. Wir hingegen lernen von maurischen Gelehrten, nehmen bei Krankheit maurische Ärzte in Anspruch, studieren die Sterne am Himmel, denen sie Namen gegeben haben, zählen mit ihren Zahlen, die mit der magischen Null beginnen, essen ihre süßesten Früchte und erfreuen uns an ihren Wasserspielen. Wir genießen ihre Architektur, spüren in jedem Winkel des Palastes, dass wir inmitten von Schönheit leben. Und nun ist es dazu gekommen, dass ihre Macht sogar für unsere Sicherheit sorgt, denn die Alcazaba ist, wieder einmal, uneinnehmbar. Wir erlernen ihre Dichtkunst, wir lachen über ihre Scherze, wir erfreuen uns an ihren Gärten, ihren Früchten, wir baden in den Wassern, welche sie zum Fließen brachten. Wir mögen die Sieger sein, sie aber haben uns beigebracht, wie man herrscht. Manchmal denke ich, dass wir im Grunde die Barbaren sind, so wie jene Menschen, die nach den Römern oder den Griechen kamen: Zwar eroberten sie die Reiche jener, aber sie saßen auf dem Thron wie Affen; sie spielten mit der Schönheit, vermochten sie jedoch nicht zu
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