Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
sie mich als Köder für den König hierlassen. Ich soll in England bleiben, bis König Heinrich zu der Einsicht gelangt - wie ich und Arthur -, dass die beste Lösung des Dilemmas darin besteht, mich mit Prinz Harry zu vermählen.
Doch mit jedem Monat, der verstreicht, wächst Harry zu einem prächtigeren Jungen heran; er mausert sich zusehends zu einem attraktiven Heiratskandidaten. Der französische König wird Heinrich eine Tochter anbieten, die vielen Herzöge und Grafen Europas ebenso, ja selbst der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches hat eine unverheiratete Tochter im passenden Alter mit Namen Margaret. Es ist unbedingt notwendig, dass ich noch in diesem Monat April auf eine Entscheidung dränge, denn nun endet das erste Jahr meiner Witwenschaft. Ich bin wieder frei. Aber das Gewicht der Macht hat sich verschoben. König Heinrich hat keine Eile, denn der Thronfolger ist noch jung, ein Knabe von elf Jahren. Ich aber bin bereits siebzehn. Es ist höchste Zeit, dass ich heirate. Es ist höchste Zeit, dass ich wieder Prinzessin von Wales werde.
Meine Eltern, das spanische Königspaar, verlangen von Heinrich den Mond: volle Rückerstattung ihrer Ausgaben, die Rückkehr ihrer Tochter und das volle Witwenerbe auf unbestimmte Zeit. Die immensen Kosten dieser Forderungen sollen den englischen König dazu veranlassen, eine andere Lösung zu finden. Die Geduld, mit der meine Eltern verhandeln, erlaubt ihm, sowohl mich zu behalten als auch das Geld. Es ist ganz deutlich, dass sie weder meine Rückkehr noch das Geld erwarten. Sie hoffen demnach wie ich, dass der König von England einsieht, dass es gar nicht nötig ist, mich oder die Mitgift zurückzugeben.
Aber sie unterschätzen ihn. König Heinrich braucht den Hinweis meiner Eltern nicht, er hat es selbst erkannt. Da er sich in keine Richtung bewegt, gedenkt er wohl kaum, eine der Forderungen zu erfüllen. Und warum sollte er? Schließlich ist er der Besitzende: Er besitzt die halbe Mitgift, und er besitzt mich.
Überdies ist er kein Dummkopf. Die Gelassenheit des neuen Abgesandten Don Gutierre Gómez de Fuensalida und die schleppenden Verhandlungen haben diesem höchst scharfsinnigen Monarchen gezeigt, dass meine Mutter und mein Vater sich damit zufriedengeben, mich in seiner Hand zu wissen, in England. Er braucht kein Machiavelli zu sein, um den Schluss zu ziehen, dass meine Eltern auf eine weitere englische Heirat hoffen - so wie auch Isabel als Witwe erneut nach Portugal geschickt wurde, um ihren Schwager zu ehelichen. So etwas geschieht. Aber nur, wenn alle Beteiligten sich einig sind. In England aber, wo König Heinrich noch nicht so lange auf dem Thron sitzt und zudem von hohem Ehrgeiz beseelt ist, mögen diese Verhandlungen mehr Geschicklichkeit erfordern, als wir aufbringen können.
Meine Mutter schreibt mir, dass sie einen Plan habe, der jedoch einige Zeit bis zu seiner Erfüllung brauche. Bis es so weit ist, solle ich mich in Geduld üben und nichts tun, was den König oder seine Mutter reizen könnte.
Ich bin doch Prinzessin von Wales, schreibe ich in meiner Antwort. Ich wurde dazu geboren, einmal Königin von England zu werden. Sie selbst habe mich mit diesen Titeln aufgezogen. Sie könne doch nicht wollen, dass ich meine Herkunft und Erziehung verleugnete? Ich könne doch wieder Prinzessin von Wales werden?
»Hab Geduld«, antwortet sie mir in einem Brief, der vom Staub seiner Reise beschmutzt ist. Wochen hat er gebraucht, bis er zu mir gelangte - viel Zeit, in der er zwischendurch geöffnet werden konnte. »Ich gebe Dir recht, dass es Dein Schicksal ist, Königin von England zu werden. Es ist Dein Schicksal, es ist Gottes Wille und mein Wunsch. Aber hab Geduld.«
»Wie lange muss ich noch Geduld haben?«, frage ich Gott, während ich am Jahrestag von Arthurs Tod in der Kapelle auf den Knien liege. »Wenn es dein Wille ist, warum tust du nichts, damit er sogleich erfüllt wird? Und wenn es nicht dein Wille ist, warum hast du Arthur zu dir genommen, mich jedoch hiergelassen? Gott, wenn du mich hörst - warum fühle ich mich so schrecklich einsam?«
***
Am späten Abend wurde ein seltener Besucher im stillen Audienzzimmer von Durham House gemeldet. »Lady Margaret Pole«, verkündete der Wachposten an der Tür. Catalina ließ ihre Bibel fallen und wandte den Kopf der Freundin zu, die schüchtern auf der Schwelle verharrte.
»Lady Margaret!«
»Prinzessinwitwe!«, rief die Besucherin und sank in einen tiefen Knicks. Catalina eilte rasch
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