Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
ihm einen Blick, mit dem sie Zärtlichkeit zu übermitteln hoffte. Sie hatten allerdings keine Gelegenheit, ein Wort miteinander zu wechseln. Die Infantin konnte von ihrem Platz am unteren Ende der Tafel den Prinzen kaum sehen, da die Königinmutter, die den Jungen mit dem Besten von ihrem Teller versorgte, ihre breite Schulter zwischen ihn und die Damen geschoben hatte.
Catalina stellte fest, dass Arthur recht gehabt hatte: Der Knabe wurde von zu viel Aufmerksamkeit verdorben. Die Königinmutter lehnte sich für einen Augenblick zurück und sprach zu einem der Saaldiener, und Harry nutzte die Gelegenheit, um der Prinzessin einen Blick zuzuwerfen. Sie lächelte ihm zu und schlug dann die Augen nieder. Als sie wieder aufschaute, blickte er sie immer noch an und wurde rot, als er sich ertappt fühlte. Er ist ein Kind, dachte sie. Ein Kind von elf Jahren. Nichts als Prahlerei und kindisches Gehabe. Warum nur ist dieser pummelige, verwöhnte Knabe verschont worden, während Arthur ...? Sogleich verbot sie sich jeglichen Vergleich Arthurs mit seinem Bruder. Wenn sie in der Öffentlichkeit an Arthur dachte, bestand die Gefahr, dass sie zusammenbrach, und das würde sie auf keinen Fall riskieren.
Eine Frau könnte einen so jungen Mann durchaus führen und lenken, dachte Catalina. Wer einen solchen Knaben heiratete, könnte sehr mächtig werden. In den ersten zehn Jahren hätte er keine Ahnung von der Regierung und den Staatsgeschäften, und danach wäre er vermutlich so sehr ans Gehorchen gewöhnt, dass er seiner Frau weiterhin das Regieren überlassen würde. Oder er ist, wie Arthur mir einst erzählte, wirklich nur ein fauler Bursche, aus dem ein verwöhnter junger Mann wird. Vielleicht ist er so bequem, dass er sich ausschließlich dem Glücksspiel, der Jagd und anderen Vergnügungen widmet - und dann läge die Herrschaft über das Reich tatsächlich allein in den Händen seiner Frau.
Catalina erinnerte sich auch, dass Arthur ihr erzählt hatte, Harry bilde sich ein, in sie verliebt zu sein. Wenn er alles bekommt, was er will, dann wird er sich möglicherweise auch seine Frau selbst aussuchen, dachte sie. Sie haben es schon allzu sehr zur Gewohnheit werden lassen, ihn zu verwöhnen. Wenn er nun betteln würde, dass er mich heiraten darf, können sie es ihm vermutlich nicht abschlagen.
Der Prinz errötete noch stärker, sogar seine Ohren liefen rot an. Catalina hielt seinen Blick einen Moment fest, sie atmete leicht ein und öffnete dann die Lippen, als wollte sie ihm etwas zuflüstern. Seine blauen Augen saugten sich an ihrem Mund fest und wurden dunkel vor Begierde. Als Catalina dies sah, fand sie, dass es nun genug war. Dummer Junge, dachte sie bei sich.
Der König erhob sich, und sämtliche Männer und Frauen auf den überfüllten Bänken im Saal erhoben sich ebenfalls und neigten ehrerbietig die Köpfe.
»Ich danke Euch, dass Ihr alle gekommen seid, um mich zu begrüßen«, begann er. »Die Ihr Waffenbrüder im Kriege gewesen seid und Freunde seid im Frieden. Doch nun entschuldigt mich, denn ich wünsche, allein zu sein.«
Er nickte Harry zu, bot seiner Mutter die Hand, und die königliche Familie entfernte sich durch die kleine Tür an der Rückfront der großen Halle, die unmittelbar in die Privatgemächer führte.
»Ihr hättet länger bleiben sollen«, bemerkte die Königinmutter, nachdem sie in Sesseln am Kamin Platz genommen hatten und der Mundschenk Wein brachte. »Es wirkt unhöflich, sich so rasch zurückzuziehen. Ich hatte dem Oberstallmeister versprochen, Ihr würdet bleiben. Überdies sollten Sänger auftreten.«
»Ich war müde«, sagte Heinrich kurz. Er schaute durch die Tür in die Halle, wo Catalina und Prinzessin Mary nebeneinandersaßen. Die Augen der Jüngeren waren verweint, der Verlust der Mutter setzte ihr zu. Catalina war - wie üblich - ruhig und gefasst. Sie verfügt wirklich über eine bewundernswerte Selbstbeherrschung, dachte er. Selbst der Verlust ihrer einzigen echten Freundin bei Hofe, ihrer letzten Freundin in England, scheint sie nicht zu peinigen.
»Sie kann morgen nach Durham House zurückkehren«, bemerkte seine Mutter, die seinem Blick gefolgt war. »Es tut ihr nicht gut, an den Hof zu kommen. Weder hat sie sich ihre Stellung mit einem Thronfolger verdient noch diese mit ihrer Mitgift bezahlt.«
»Sie ist treu«, hielt Heinrich dagegen. »Beständig in ihrer Zuneigung, die sie auch Euch und mir bezeugt.«
»Treu wie die Pest«, entgegnete seine Mutter.
»Ihr seid sehr
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