Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
nieder, während sein Samen sich in sie ergoss, der Beischlaf unwiderruflich vollzogen war.
***
Er verhört mich kein zweites Mal auf diese Weise. Er will mir so unbedingt glauben, dass er mir diese Frage nicht mehr stellt, weil er fürchtet, eine Antwort zu bekommen, die ihm nicht gefällt. In diesen Dingen ist er ausnehmend feige. Er ist gewöhnt, Antworten zu hören, die ihm genehm sind, und er will lieber eine angenehme Lüge hören als eine widerwärtige Wahrheit.
Zum Teil liegt es an seinem Wunsch, mich zu besitzen, und er will mich so, wie er mich zum ersten Mal sah: als Jungfrau im weißen Kleid der Braut. Zum Teil liegt es daran, dass er alle widerlegen will, die ihn vor meiner Falle warnten. Aber sein Hauptmotiv ist Folgendes: Er hat Arthur gehasst und beneidet und will mich vor allem deswegen haben, weil ich vorher Arthurs Braut war, und er will - Gott vergebe ihm seine Gehässigkeit und seinen Neid als Zweitgeborener - die Bestätigung, dass er etwas kann, das Arthur nicht konnte, dass er etwas besitzt, was Arthur nicht besitzen konnte. Obwohl mein geliebter Mann schon lange in seiner kalten Gruft unter dem Kirchenschiff der Kathedrale von Worcester ruht, will das Kind, das nun seine Krone trägt, immer noch über ihn triumphieren. Die größte Lüge ist nicht, dass ich Harry vorschwindele, noch Jungfrau zu sein. Die größte Lüge ist, dass ich ihm zuflüstere, er sei der bessere Mann, stärker als sein Bruder. Auch dieser Lüge habe ich mich schuldig gemacht.
In der Morgendämmerung, während er noch schläft, nehme ich mein Federmesser und füge mir einen Schnitt in der Fußsohle zu, an einer Stelle, an der er keine Narbe bemerken wird. Dann tropfe ich Blut auf die Laken, damit seine Großmutter oder wer auch immer mir übel gesinnt sein könnte, zufrieden ist. Von einem König und seiner Braut wird kein Vorzeigen der Laken verlangt, aber ich weiß, dass nach ihnen gefragt wird; und dann ist es besser, wenn meine Damen guten Gewissens angeben können, einen Blutfleck gesehen zu haben, und wenn ich über Schmerzen klage.
Am Morgen verhalte ich mich so, wie es von einer Braut nach der Hochzeitsnacht erwartet wird. Ich gebe vor, müde zu sein, und ruhe den ganzen Morgen. Ich lächele mit niedergeschlagenen Augen, als hätte ich ein süßes Geheimnis entdeckt. Ich gehe ein wenig steif und reite eine Woche lang nicht. Ich tue alles, was nötig ist, um mich als junge Frau zu zeigen, die ihre Unschuld verloren hat. Ich überzeuge alle. Und überdies will auch niemand etwas anderes glauben.
Der Schnitt an meinem Fuß schmerzt lange. Der Schmerz durchfährt mich jedes Mal, wenn ich in meine neuen Schuhe mit den großen Diamantenschnallen fahre. Dies kommt mir vor wie eine Mahnung wegen meiner großen Lüge, an der ich den Rest meines Lebens zu tragen haben werde. Doch dieser kurze, stechende Schmerz beim Anziehen meines rechten Schuhs ist nichts im Vergleich zu dem Schmerz, der tief verborgen in mir haust und mich jedes Mal überkommt, wenn ich diesem unwürdigen Knaben zulächele und ihn mit bewundernder Stimme meinen »Ehemann« nenne.
***
Harry erwachte mitten in der Nacht. Catalina spürte es und schlug ebenfalls die Augen auf.
»Mylord?«, fragte sie.
»Schlaft wieder ein«, sagte er. »Noch graut der Morgen nicht.«
Dennoch schlüpfte sie aus dem Bett und hielt einen Wachsstock an ein rot glühendes Holzscheit im Kamin, entzündete mit diesem eine Kerze. Sie spürte, dass er sie ansah; ihr Nachtgewand stand ein wenig offen, und ihre weichen Flanken wurden von dem fließenden Stoff nur halb bedeckt. »Möchtet Ihr Bier haben? Oder ein Glas Wein?«
»Wein«, sagte er. »Und schenkt Euch auch ein.«
Catalina steckte die Kerze in einen silbernen Halter und kehrte mit den Weingläsern zum Bett zurück. Sie vermochte nicht, in seiner Miene zu lesen, verspürte aber einen Anflug von Gereiztheit, weil er wollte, dass sie wach war. Sie sollte fragen, was ihn nicht schlafen ließ, er erwartete Teilnahme. Bei Arthur hatte sie immer binnen Sekunden gewusst, was er wollte, woran er dachte. Harry jedoch war ein Mensch, der seine Aufmerksamkeit mal hierhin, mal dorthin wandte, sie einem Lied schenkte oder einem Traum oder den Gedanken, die ihm eben in den Kopf kamen. Er war es gewöhnt, seine Gedanken stets mitzuteilen und sich kluger Führung zu überlassen. Er brauchte eine Gefolgschaft von Freunden und Bewunderern, Lehrern, Mentoren, Eltern. Er brauchte ständige Unterhaltung. Und Catalina
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