Die ewige Straße
Schläfe.
Er winkte Chaka und Quait, sich nicht weiter zu nähern. Quait verlangsamte sein Tempo, ohne ganz anzuhalten.
»Paß auf!« schrie Chaka. »Er wird sie töten!«
»Er weiß, daß er tot ist, wenn er das tut.«
Der Rotschopf blickte sich gehetzt um und wog seine Chancen ab. Unvermittelt stieß er seine Geisel von sich, sprang auf sein Pferd und galoppierte in Richtung Waldrand davon. Chaka hob das Gewehr und zielte, doch Quait ergriff den Lauf. »Laß ihn«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf. »Er wird wiederkommen.«
»Du kannst doch nicht auf einen Menschen schießen, der vor dir flieht!«
Sie funkelte Quait an, doch bevor sie sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, erklang ein Schuß, und der Rotschopf fiel aus dem Sattel. Im ersten Augenblick dachte sie, Flojian hätte gefeuert, doch jetzt war keine Zeit, um der Sache nachzugehen. Sie gab Piper die Sporen und galoppierte zu der Frau, wo sie aus dem Sattel sprang. Die Frau kauerte über dem Opfer und weinte verzweifelt.
Der Bauer war tot. Der Boden ringsum war blutgetränkt. Nach dem Alter zu urteilen mußte er ihr Großvater gewesen sein, denn die Frau war kaum dem Mädchenalter entwachsen. Vielleicht achtzehn. Chaka legte ihr die Hand auf die Schulter, doch sie bemühte sich nicht, die junge Frau von dem Toten wegzuziehen.
Der Mörder lag neben einem umgestürzten Baumstamm und stöhnte laut. Als Chaka sich näherte, sah er mit glasigen Augen zu ihr auf und versuchte, seine Pistole aufzuheben, die ein paar Fuß von ihm entfernt zu Boden gefallen war. Chaka trat sie weg und hielt ihm das Gewehr vor das Gesicht. »Es würde dir nicht viel nutzen«, sagte sie.
Er grunzte ein paar Worte, die Chaka nicht verstand. Blut sickerte aus einer Wunde an seiner Schulter. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
Zwei Männer ritten aus dem Wald herbei. Sie trugen gleich aussehende blaue Röcke, und Chaka schloß, daß es sich um Soldaten oder Milizionäre handeln mußte. In den Armen hielten sie Gewehre.
Beide waren großgewachsen. Einer der beiden war dunkelhäutig, der andere hell. Der Hellhäutige zügelte sein Pferd vor dem Rotschopf und zuckte die Schultern. Sein Partner ritt weiter bis zum Haus. Er starrte traurig auf den Toten. »Es tut mir leid, Lottie«, sagte er. »Mein Gott, es tut mir leid.«
Das Mädchen kniete unverwandt neben dem Toten und schluchzte hemmungslos. Sie ließen sie für eine Weile in Ruhe. Der zweite Soldat band die Hände des Verwundeten auf den Rücken und fesselte ihn an einen Pferdepflock. Dann standen alle um den Leichnam herum, und schließlich zog Chaka das Mädchen Lottie mit sanfter Gewalt zur Seite.
Chaka führte sie ins Innere der kleinen Hütte und wartete geduldig, bis Lottie sich ein wenig beruhigt hatte. Sie redete leise auf die junge Frau ein. »Alles wird wieder gut. Wir sind Freunde, und wir werden uns um dich kümmern. Meine beiden Begleiter und ich werden alles für dich tun, was in unserer Macht steht.«
Sie brachte dem Mädchen ein feuchtes Tuch, und Lottie wischte sich Staub und Tränen aus dem Gesicht.
Die anderen trugen den Toten herein und legten ihn ins Schlafzimmer. »Am besten, du kommst mit uns, Liebes«, sagte der dunkelhäutige Soldat.
»Nein!« Lottie schüttelte den Kopf. »Ich bin hier zu Hause!«
»Du kannst ja wieder zurück. Aber wir dürfen dich jetzt nicht allein hier lassen. Komm doch mit uns. Heute nacht schläfst du bei der Richterin, und wir bringen die Dinge wieder in Ordnung.«
Lottie war attraktiv auf eine Weise, wie nur junge Frauen es sind. Sie war blond, besaß ausdrucksvolle Augen (obwohl sie jetzt blutverschmiert und geschwollen waren), lange, graziöse Gliedmaßen und ein Lächeln, das fast ihren Kummer vergessen ließ.
»Nein«, wiederholte sie. »Bitte.«
»Du mußt, Lottie«, sagte der Dunkelhäutige. »Keine Angst. Wir schicken jemanden her, der auf alles aufpaßt. Bis dahin wird Blayk bei ihm bleiben.«
Er warf seinem Partner einen Blick zu. Blayk nickte.
»Stimmt das, Blayk?« fragte das Mädchen Lottie zwischen heftigen Schluchzern.
»Selbstverständlich. Keine Sorge. Du kannst beruhigt mit Sak gehen.«
Sie hielt die Hände vor die Lippen gepreßt. Nach langer Zeit rang sie sich zu einem Entschluß durch. »Also gut. In Ordnung, ich komme mit. Danke, Blayk.«
Blayk war ein großer, schlanker und stiller Bursche, und in seinen Gesichtszügen stand spürbare Erschöpfung, als hätte er in zu vielen Häusern das gleiche Unglück gesehen. »Schon gut,
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