Die ewige Straße
Lottie. Das ist das Wenigste, was wir für dich tun können.«
Lottie blickte sich im Zimmer um, und plötzlich wurde sie erneut von Verzweiflung übermannt. »Irgendwo muß ich meine Jacke haben«, schluchzte sie.
Chaka stand auf und nahm sie an der Hand. In einem Küchenschrank fand sie etwas Alkoholisches, schenkte Lottie einen Drink aus und sich selbst gleich mit. Sie ließ die Flasche offen, falls sonst noch jemand Bedarf hatte, und sah Blayks Partner an. »Ich möchte Sie bitten, noch ein wenig zu warten, Soldat.«
»Wir sind Ranger, Madam«, antwortete er.
»Verzeihen Sie mir«, sagte Lottie. »Das sind Sak und Blayk.«
»Erfreut Sie kennenzulernen«, erwiderte Chaka. Sie stellte sich und ihre beiden Begleiter vor. Anschließend führte sie Lottie aus dem Zimmer. Als sie zwanzig Minuten später zurückkehrten, war Lottie gewaschen und hatte frische Kleider an.
Chaka brachte sie hinaus auf die Veranda. Sak hielt den beiden Frauen die Tür auf. »Ich würde mich freuen«, sagte er, »wenn Sie und Ihre Begleiter sich uns anschließen könnten«, sagte er. »Ich denke, die Richterin wäre erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Selbstverständlich«, antwortete Quait. »Wer ist die Richterin?«
»Sie sorgt für Recht und Ordnung in der Gegend.« Er besprach mit Blayk, wann er mit Ablösung rechnen konnte, und ging den Gefangenen holen. Sie stiegen in die Sättel und ritten am Kanal entlang nach Osten davon.
»Woher kommen Sie?« erkundigte sich Sak.
»Aus Illyrien«, antwortete Flojian.
Sak runzelte die Stirn. »Noch nie davon gehört.« Er sah aus wie fünfunddreißig, doch Chaka hatte den Verdacht, daß er viel jünger war. Seine Haut war wettergegerbt, und er trug einen dichten schwarzen Schnurrbart.
Der Gefangene ritt neben Quait. »In den alten Tagen«, berichtete Sak, »hätten wir ihn an Ort und Stelle erschossen.«
»Ich wünschte, wir wären früher gekommen«, sagte Chaka. »Worum ging es überhaupt?«
»Sklavenhändler«, brummte Sak. »Wir werden sie nach und nach los, aber es dauert. Nicht wahr, Lump?«
Der Gefangene blutete immer noch an der rechten Schulter. Schließlich machten sie Halt, und Chaka riß ein altes Hemd in Streifen und verband die Wunde.
»Ich wollte das nicht«, stöhnte der Gefangene. »Ich dachte, er zieht eine Waffe.«
Sak musterte ihn kalt. »Du mußt dir schon eine bessere Geschichte ausdenken.«
Die Richterin residierte in einem Fort direkt über der Straße. Es war ein ausgedehnter Komplex aus Militärbaracken, Exerzierplätzen, geflaggten Höfen und Stallungen, umgeben von einem hölzernen Palisadenzaun. Die Palisaden starrten nur so vor Schießscharten und Ausfallpforten. Blaue und weiße Flaggen wehten von einem guten Dutzend Masten. Das Fort stand auf der flachen Anhöhe einer Lichtung, die tausend Yards in jeder Richtung freies Schußfeld bot.
Sie lieferten den Gefangenen am Haupttor ab und ritten in das Fort.
Das erste, was Chaka ins Auge stach, war ein prachtvolles Herrenhaus. Es war ganz aus Baumstämmen gebaut, zwei Stockwerke hoch und mit nachträglichen Anbauten mehrfach erweitert worden. Eine überdachte, mit Korbmöbeln ausstaffierte Veranda zog sich über die gesamte Front. Das Haus besaß zahlreiche Fenster, und auf dem Dach befand sich ein überkuppelter Erker, der gerade hoch genug war, um über die Palisaden zu blicken.
»Das Haus der Richterin«, erklärte Sak. Sie ließen Lottie bei einer mütterlich aussehenden Frau an einem Seiteneingang zurück. Sie dankte ihren Rettern ein weiteres Mal, und Sak versprach, zurückzukehren und nach ihr zu sehen. Dann führte er die drei Gefährten an einem Heuschober vorbei und über eine schmale Holzbrücke, die einen Bach überquerte. Vor einem tristen, zweistöckigen Gebäude am Rand des Paradeplatzes machte er Halt. »Früher war das hier das Quartier des Kommandanten«, sagte er. »Wir werden Sie hier einquartieren, solange Sie bei uns zu Gast sind.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Chaka.
»Es ist mir ein Vergnügen, Madam«, erwiderte der Ranger. »Wir wissen Ihren Mut und Ihr Eingreifen dort draußen zu schätzen. Ohne Sie hätten wir die kleine Lottie möglicherweise auch noch verloren.« Er stieg aus dem Sattel und öffnete die Tür. »Im Augenblick wohnt hier niemand. Außer Gästen natürlich.« Unmittelbar hinter der Tür befand sich eine Wand. Auf der einen Seite ging es in einen Gemeinschaftsraum, auf der anderen führte eine Treppe nach oben. Die Wand hinter der
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