Die ewige Straße
wandte sie sich an Chaka, die ihr Fieber überwunden hatte. »Bei diesem Wetter braucht es nicht viel, und du bist wieder krank.«
Sie nahmen einen der Weinschläuche aus dem Gepäck und wickelten sich Decken über die Schultern. Shannon kehrte mit ein paar Forellen vom Fluß zurück, die sie zusammen mit Zwieback, Beeren und Bohnen verzehrten. Hinterher fügte sich Chaka den Anweisungen ihrer Ärztin und schloß die Augen. Silas begann eine Diskussion über die Notwendigkeit von Göttern, um Gesetz und Ordnung innerhalb der menschlichen Gesellschaft zu sichern. »Insgesamt betrachtet«, sagte er, »glaube ich nicht, daß ich sie zum Essen einladen würde. Aber Götter sind durchaus praktisch, wenn es darum geht, die Menschen dazu zu bringen, ihren sozialen Pflichten nachzukommen.«
Avila nippte nachdenklich an ihrem Wein und starrte hinaus in den Nebel über dem Fluß. »Und du, Quait? An was glaubst du?«
»Wie meinst du das?«
»Ich weiß, daß du nicht an die Göttin glaubst.«
»Das habe ich nie gesagt.«
»Dein Ton verrät es. Deine Ansichten über andere Dinge verraten es. Mit welchem größeren Wesen sprichst du also, wenn die Lichter verlöschen?«
»Ich weiß es nicht genau«, gestand er und warf einen Seitenblick auf Chaka. Sie sah aus, als würde sie schlafen, und er senkte die Stimme. »Ich sehe Menschen wie Chaka«, sagte er leise, »und ich denke immer, was will ich mehr?«
Chaka konnte nicht verstehen, was Avila ihm daraufhin antwortete.
Eine sanfte Hand auf ihrer Schulter und der Duft von Kanincheneintopf weckten sie. »Bist du hungrig?« fragte Quait. Der Regen hatte aufgehört. Draußen herrschte Dunkelheit. Ein paar Schritte vor dem Zelt brannte ein munteres Lagerfeuer.
»Ja. Hast du mir etwas aufgehoben?«
Quait schob ihr einen Napf hin. »Draußen ist eine heftige Diskussion im Gange«, sagte er.
Chaka hörte erregtes Stimmengewirr. »Sag nichts. Es geht wieder um die Götter.«
»Diesmal nicht. Sie versuchen zu entscheiden, ob sie die Brücke nehmen oder nach einer Furt suchen sollen. Jon glaubt nicht, daß es im Umkreis von mehreren Tagesmärschen eine Furt gibt.«
»Und warum bauen wir kein Floß und lassen die Pferde schwimmen?«
»Hast du einen Blick auf die Strömung geworfen?« Er legte ihr eine Hand auf die Stirn. Sie war kühl. »Wie geht es dir?«
»Ganz gut.«
Er setzte sich zu ihr. »Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Silas hat Angst, jemand könnte von der Brücke fallen.«
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Karik hat die Brücke benutzt. Ich schätze, das können wir auch. Was meinst du?«
»Scheint mir auch kein großes Problem zu sein. Aber das ändert sich vielleicht, wenn wir erst oben stehen.«
Er beugte sich vor und berührte mit seinen Lippen ihren Hals. »Ich will auf keinen Fall, daß dir etwas zustößt«, sagte er.
Sie wich nicht zurück, als seine Lippen nach den ihren suchten. Verdammt. »Du würdest alles bekommen, was ich habe«, erwiderte sie und fühlte sich im gleichen Augenblick albern wie ein Kind. Er lächelte und küßte sie. Es war ein sehr sanfter Kuß, und seine Lippen streiften die ihren kaum. Ein Kribbeln ging durch ihren Körper.
»Iß«, sagte er und betrachtete sie selbstzufrieden.
Der Eintopf war köstlich. Er wärmte sie, und sie spürte, wie ihre Kräfte zurückkehrten.
»Ich glaube, ich bin in dich verliebt, Chaka Milana«, sagte er leise.
Plötzlich brach draußen am Lagerfeuer hektische Aktivität aus. Es dauerte einen Augenblick, bis Chaka begriff, daß es keine Einbildung war, hervorgerufen durch Quaits Liebeserklärung. Die anderen erhoben sich einer nach dem anderen und starrten nach Norden über den Fluß. Sie zeigten auf etwas mit ausgestreckten Armen.
Quait löste sich von ihr und blickte über die Schulter nach draußen.
»Irgend etwas geht da vor«, sagte sie.
Es war unübersehbar. Ein Band aus weißem Licht bewegte sich auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses durch die Nacht.
»Ich glaube, es kommt in unsere Richtung«, sagte Flojian.
Es kam aus Nordwesten und bewegte sich in schnurgerader Richtung auf sie zu. Und es kam schnell. Nicht wie etwas, das durch die Wälder zog. Eher wie ein Geist, der über den Bäumen schwebte.
»Dieses Ding fliegt durch die Luft«, sagte Silas andächtig. Der Fluß würde es nicht aufhalten. Shannon löschte das Lagerfeuer.
Avila senkte den Kopf und flüsterte ein Gebet.
»Hast du jemals so etwas gesehen?« wandte sich Quait an Shannon.
»Nein.«
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