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Die ewige Straße

Die ewige Straße

Titel: Die ewige Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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eines allmächtigen Gottes«, fuhr er fort. »Wir vermuten, sie repräsentierte die schöpferische Kraft und das Erbarmen.«
    »Das ist alles?«
    »Das ist alles.« Sie saßen auf den Pferden und ritten durch den späten Nachmittag. Die Wälder rochen nach dem bevorstehenden Frühling. »Avila hat recht«, fuhr Silas fort. »Wir wissen, was Dostojewsky uns erzählt. Wir wissen, daß es Orden heiliger Männer gegeben hat und eine scharfe Trennung zwischen den religiösen Autoritäten und dem Glauben des gewöhnlichen Volks. Wir wissen, daß sie glaubten, die Menschen würden dieses Leben durchleben und nach ihrem Tod vor ein Gericht gestellt. Wir wissen, daß sie mit dem Problem des Bösen kämpften.«
    »Und was ist das Problem des Bösen, Silas?« erkundigte sich Flojian.
    Sie ritten langsam, weil sie ständig nach Landon Shays Markierungen Ausschau hielten.
    »Daß in einer Welt, die von einer wohlwollenden göttlichen Macht gelenkt wird, immer wieder Unschuldige leiden müssen.«
    »Daß Kinder sterben«, sagte Avila. »Daß Gebete nicht erhört werden. Daß wir in unseren verzweifeltsten Augenblicken trotz aller Versprechungen der heiligen Schriften regelmäßig allein gelassen werden.«
    Flojian seufzte. Er trug einen schwarzen Umhang, der ihm ein halbwegs schneidiges Aussehen verlieh. Halbwegs, denn er schien sich an gar nichts erfreuen zu können. Die Welt war ein düsterer, böser Ort, und man schlug sich durch, so gut es ging, gehorchte der Obrigkeit und machte gute Miene zu jedem bösen Spiel. Aus diesem Grund war Flojian ein Gläubiger, wenn es um Dinge ging, die weder Mühe noch Opfer erforderten, und ein Skeptiker, wenn sich die Resultate in einer Gewinn- und Verlustrechnung zeigten. Die Götter herauszufordern weckte den Zorn der Menschen und war deswegen schlecht fürs Geschäft. Flojians Reflexe schalteten sich ein. »Du klingst verbittert, Avila«, sagte er.
    »Es tut mir leid«, erwiderte sie. »Ich … ich wollte nicht bitter klingen. Laß uns über ein anderes Thema reden.«
    Später gestand sie Chaka, daß sie sich geschworen hatte, nie wieder an religiösen Diskussionen teilzunehmen. »Die Menschen regen sich nur auf«, sagte sie, »ohne daß je etwas dabei herauskommt.«
    »Du bist aber nicht sehr konsequent darin«, entgegnete Chaka.
    »Ich weiß. Es ist schwer, damit abzuschließen.«
    Im Schutz einer Steinmauer schlugen sie das Lager auf. Ringsum lagen Trümmer aus Beton und verbogenem Eisen, beiseite geschoben und aufgebrochen von uralten Bäumen. Eine Lichtung in der Nähe markierte noch die Stelle, wo einst ein Platz oder ein Hof gewesen war. Von dort aus erblickten sie Bauwerke, die sich bis über die Baumwipfel erhoben. Ein Teil war eingestürzt, und wo die Trümmer hingefallen waren, hatten sich flache Hügel gebildet.
    Shannon hatte die Pferde versorgt. Als er damit fertig war, kam er zu den anderen. »Ich habe etwas gefunden«, sagte er.
    Er führte sie zu einem kleinen Gestrüpp aus Hornsträuchern und zeigte ihnen eine Markierung.
    Es war ein grauer Stein, in den jemand den Namen Cris Lukasi geritzt hatte, zusammen mit einer groben Darstellung des Lebensbechers und einem Datum: 23. März 297.
    Cris Lukasi war einer der Teilnehmer der ersten Expedition gewesen.
    »Ein Überlebensexperte«, sagte Shannon und runzelte die Stirn. »Ich will dir nicht zu nahe treten«, sagte er zu Flojian gewandt, »aber ich denke, es war richtiggehend kriminell, daß niemand ein Journal über diese Expedition geführt hat. Wo die Leichen begraben liegen. Wenigstens das hätten diese Leute verdient.«
    »Aber sie haben ein Tagebuch geführt!« Flojians Augen blitzten. »Und mein Vater hat mit den Angehörigen der Toten gesprochen. Er hat ihnen alles gesagt, was er wußte. Er hat getan, was er konnte!«
    »Was ist aus dem Tagebuch geworden?« fragte Chaka vorsichtig.
    »Es war Teil von Kariks Anuma. Wir haben es am Tag seiner Einäscherung zusammen mit ihm verbrannt.«
    »Kanntest du ihn?« wandte sich Chaka an Shannon.
    »Wen? Lukasi? Nein. Ich bin ihm nie begegnet. Aber ich weiß, daß er fern seiner Heimat starb, an einem Ort, zu dem er nicht hätte gehen müssen. Und das reicht mir.«
     
    Landon Shays Markierungen brachten die Gruppe auf eine parallel zum Wabash nach Norden verlaufende Straße. Sie lagerten am Ufer des Flusses und nutzten eine paar sonnige Abschnitte zum Fischen und Schwimmen.
    Flojian klagte über schmerzende Knie, und Silas hatte sich den Rücken verspannt. Als Avila deswegen

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