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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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hielt ihr
schnell die Hand vor den Mund. »Psssst, du Rhinozeros, der muss gar nicht
wissen, dass ich da bin und Besuch habe, sonst kommt er runter und quatscht uns
stundenlang voll.«
    »Echt wahr?«
    Liliane Stiefvater
schien nach einem gänzlich anderem Verhaltenskodex gegenüber Kindern zu leben
als Herr Weinwurm, der in all den Jahren jede Begegnung mit den Kindern, die
Terese für Ivonne eingeladen hatte, gemieden hatte. Vorsichtig lugte Ivonne
nach den samtglänzenden Portieren. Vielleicht stand Hubert Piskunov schon
dahinter, sprungbereit und erpicht, sie in ein langes Gespräch über seine
Playmobilkolonie zu verwickeln, die er draußen im Garten zu einer
Plastikfiguren-Polonaise aufgestellt hatte, und auf die Liliane sie mit
verächtlichem Grunzen aufmerksam gemacht hatte.
    »Weißt du, was er mit
denen macht, wenn er alle bis zum Gartentor aufgestellt hat? Er zerballert sie
mit einem Luftgewehr. Kann er Stunden mit verbringen. Er robbt in einer alten
Uniform auf dem Bauch durch den Garten und ballert.«
    Sie liefen durch eine
feuchte Wäsche- und Abstellkammer, von der aus eine Tür zu Lilianes Zimmer
führte. Auf dem Boden lag eine Matratze, daneben stand ein alter Schrank ohne
Türen, die Wände zierten ein Ghostbusters-Plakat und ein Tina-Turner-Poster,
der Boden war bedeckt mit Büchern und Bravo-Heftchen. Am einzigen Eckfenster
standen ein hummerrotes abgewetztes Zweiersofa, ein kleiner Tisch und ein
blumiger alter Ohrensessel. Hier gefiel es Ivonne gut.
    Während Liliane am
Boden kniete, geschäftig an einem Wasserkocher hantierte und klappernd zwei
Blechtassen unter dem Schrank hervorzerrte, sah Ivonne sich verstohlen nach
Anzeichen für die versprochenen Schokokekse um. In ihr keimte der Verdacht,
dass man im Siedlergebiet wahrscheinlich nicht viele Häuser finden würde, deren
Vorratskammern Prinzenrollen bargen.
    »Hubbsi ist ein alter
Chauvi, er denkt immer, dass wir Frauen für den Haushalt zuständig sind, und
das heißt im Klartext, dass ich hinter meinen Brüdern herräume wie eine
Bekloppte. So klein die auch noch sind, das haben sie kapiert und kümmern sich
logischerweise um gar nichts. An alles gehen sie ran und rennen dann zu Hubbsi,
wenn ich mit ihnen schimpfe. Neulich ist Hubbsi wegen der Tasche von Thommy
beinahe die Kellertreppe runtergepoltert und konnte sich gerade noch an den
Portieren festklammern. Hing da und schwang hin und her wie ein verunglückter
Tarzan, die grünen Vorhänge wie eine Liane zwischen den Beine! Himmel, sah das
komisch aus!«  
    Liliane kicherte
verzückt bei dieser Erinnerung, und Ivonne registrierte bei ihr mehr als die
übliche Schadenfreude, wenn sich Erwachsene wie gewöhnlich albern benahmen.
Etwas Köchelndes, Heißes, Zorniges, das durch ihre Adern rann wie ein
unterirdischer Lavastrom?
    »Wie auch immer. Er
hat herbe Strafen angekündigt, wenn die beiden ihre Taschen noch einmal dort
direkt vor der Treppe liegenlassen, oder wenn ich vergessen sollte, sie
wegzuräumen. So ist er. Ein Ekel, ein echter Widerling, buäähh!«
    »Haut er euch auch?
Manchmal?«, quickte Ivonne entsetzt und mit einem hohen Anteil an
Sensationslust in der Stimme, den sie nicht einmal vor sich selbst leugnete.
Wenn das ihr Daddy wüsste, der würde sich den Kerl nehmen und ihm eine
Kugel zwischen die Augen jagen! Mitten rein!
    »Die Jungs, manchmal.
Der Typ ist im Grunde aber ein armseliger Wicht. Als ich zehn war, hat er mal
bei mir ausgeholt und gleich die Retoure eingefangen.«
    Liliane warf Ivonne
einen Feuerblick aus ihren kleinen Augen zu, der sich wie Nadelstiche in sie
bohrte. Ivonne schluckte. Sicherlich hatte Liliane schon mit zehn Jahren eine
rotglühende Aura um sich verbreitet!
    »Seitdem verlegt sich
Rumpelstilzchen bei mir aufs Schreien und Stampfen und unsinnige Strafen
verhängen. Beispielsweise seine Playmobilformationen aufstellen oder eine Woche
lang Zigaretten holen, auch mitten in der Nacht, dann steht er an deinem Bett
und zerrt dich am Schlafanzugärmel raus und dann musst du schnell deine Puschen
finden, sonst kannst du barfuß losstiefeln! Sehr lästig, der Kerl, wirklich sehr lästig. Was mir Sorgen macht, sind meine Brüder, die sind noch so klein,
haben noch so zarte Knochen und so. Wenn er die manchmal anpackt... das ist
schrecklich!«  
    Liliane knallte die
Becher auf den Tisch und fing Ivonnes Blick auf.
    »Ach ja, die Kekse ,wie konnte ich die vergessen? Ich verstecke immer alles so gut vor meinen
Brüdern, dass ich selbst manchmal

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