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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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keine
basismäßige Rolle, aus welchem Supermarkt! Es geht um die basic facts, bottom
line! Ich will, dass das Kind begreift, dass ihre Chips und Cola und was weiß
ich noch alles von den Scheinen bezahlt werden, die ich aus meiner Brieftasche
ziehe und auf den Tisch blättere! Und diese Scheinchen hätten wir nicht ohne
die von ihr ach so verschmähten Badekugeln! Nicht nur, natürlich, heutzutage
musst du breit aufgestellt sein, aber Badekugeln sind mein Kerngeschäft, der
Ursprung meines ich will nicht sagen Imperiums aber doch so ähnlich… so etwas
ähnliches will ich sagen. Und deshalb kommt mir hier kein ordinärer Badeschaum
über den Wannenrand, damit das klar ist!
    Ivonne packte einen
Engel am Hals und zerrieb ihn, bis nur noch ein wenig öliger Glitter an ihren
Händen übrig war. Dann legte sie den Kopf zurück und ließ ihren Blick an der Maserung
der holzverkleideten Decke entlangwandern, während ihre Finger über ihren Bauch
strichen, hinauf und hinunter, unter die warmen Brüste und weiter in die weiche
Kuhle ihrer Achseln, über die Schultern und die glatten, runden Oberarme hinab.
    »Pass
mal auf, das kommt alles weg!«, rief Liliane, als Ivonne im dämmrigen Flur des
Piskunov-Hauses ihre Trainingsjacke ausgezogen hatte. Sie drehte Ivonne vor
einen halbblinden Garderobenspiegel und klopfte ihr auf den Bauch. »Da kommt
ein schöner flacher Waschbrettbauch hin, wirst schon sehen, du wirst mir noch
ewig dankbar sein, dass ich dich in Schwung gebracht habe!«
    BRETT-BAUCH-BRETT-BAUCH !
    Ivonne umschlang sich
mit beiden Armen und konnte dennoch trotz der schwülen Hitze im Badezimmer ein Zittern
nicht unterdrücken, denn es war so:
    Das ging doch nicht!
    Es passte nicht
zusammen! Ein Brett, so hart und hässlich und unnachgiebig, und ein Bauch, so
weich, schön, vollendet in runder Pracht! Und dafür sollte sie dankbar sein?
Dass man ihr ein Brett auf den Bauch band und feste zudrückte, bis sie keine
Luft mehr bekam und ihren filigranen runden Leib verformte zu einer eckigen
Bretterkiste?
    Verunstaltet – fürs
Leben?
    Denn war
sichergestellt, dass sie, wenn der Tag kam, an dem sie Liliane nichts mehr für
ihren Schutz schuldete, und sich wieder ausreichend Bewegungs- und
Schwunglosigkeit gönnen durfte, war da sichergestellt, dass sie ihre Formen in
exakt dem Volumen und Ausmaß wiederbekam, wie sie es von sich gewöhnt war?
    Aber
dennoch, dachte Ivonne und verdrängte die Gedanken an einen riesigen Klumpen
Lehm, aus dem sich Lilianes Spinnenfinger ein Frankensteinlaufmonster
zurechtkneteten, war der Nachmittag gar nicht so übel gewesen, es war fast –
als wären sie Freundinnen? Compañeros? Buddies?
    Das Haus der
Piskunovs roch muffig nach abgestandenem Rauch und brauner Maggie-Fix-Soße. Es
lag im Siedlerviertel, einer Gegend, die Terese pauschal als Nazi-Viertel
bezeichnete, denn der Führer hatte dort in den dreißiger Jahren Grundstücke für
Arbeiter und kleinere Angestellte versteigert, damit sie dort siedelten und
viele kräftige Siedlerkinder aufzogen.
    »Du solltest dich mal
schön zurückhalten, Terese, du bist selbst aus Österreich und deine Leute haben
uns den Führer rübergeschickt!«, warf Herr Weinwum über den Abendbrottisch und
Terese zuckte zusammen und verteilte noch eine Runde Wiener Würstchen auf die
Teller. Ivonne blinzelte durch ihr geriffeltes Apfelsaftglas und sah, dass
Terese ernste Sorge hatte, dass sich Ivonne in merkwürdigen, weil schlichten Kreisen
bewegte, obgleich sie auch ein bisschen erleichtert über eine potentielle, am
Horizont aufschimmernde Freundin war. Auch dass Her Weinwurm keine Ahnung
hatte, wie und weshalb Hitler den Weg nach Deutschland gefunden hatte, las
Ivonne auf dem Grund ihres Glases.
    Auf dem Weg zu
Lilianes Zimmer, das im Erdgeschoss lag, stolperte Ivonne durch den düsteren
Flur, das einzige Fenster wurde von einem schweren, staubigen Samtvorhang
verdeckt, die Treppe zum ersten Stock sowie zum Keller wurden von Portieren eines
ähnlichen Stoffs verborgen.
    Ivonne stieß gegen
eine dicke Eichentruhe, und während sie ihr Knie rieb und sich hinter Liliane
weitertastete, trat sie auf die Kindergartentaschen von Lilianes Brüdern, die
diese achtlos in den Flur geworfen hatten.
    »Ein Wunder, dass
Hubbsi das noch nicht gesehen hat.«, raunte Liliane und schnappte sich die
beiden Taschen. »Der reißt mir den Kopf ab, wenn hier unten Unordnung ist.«
    »Wieso? Das ist doch
nicht dein Krempel, oder?«, erwiderte Ivonne erstaunt und Liliane

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