Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
und über mit
roten Striemen bedeckt war, als hätte ein finsterer Bandido sie
geschnappt und ausgepeitscht!
Plötzliche Ruhe!
Vorsichtig griff
Ivonne nach ihrem Schlafanzug, schlüpfte im Schneckentempo hinein, erst das
eine Bein, dann - Obacht, nicht wackeln! Sonst wachen die Finger wieder auf!
– das andere Bein, langsam strich sie Heidi und den Almöhi über ihrem Bauch
glatt.
Erschöpft setzte sie
sich auf die Klobrille.
Die kühle Abendluft
berührte ihren Nacken, und sie lauschte den Geräuschen, die das Kaff um diese
Stunde verursachte: Hundegebell, Blätterrascheln, weit entfernt ein Zug. Nach
Laramie?
»Es wird Zeit, dass
ich zu dir kommen, Daddy ,« flüsterte sie. »Ich fürchte, es ist
allerhöchste Zeit, dass ich endlich zu dir komme. Kannst du mir nicht eine Ranchhand schicken, die mich abholt, gleich morgen, nach der Doppelstunde Mathe? Oder
besser noch: Davor, denn Bruchrechnung brauche ich doch nicht auf der Ranch,
oder? Daddy ?«
Ivonne legte den Kopf
in den Nacken und betrachtete die Wolken durch das Dachfenster, schwarze
Schwaden, die sich vor einen fahlen Vollmond schoben. Ihr Körper lag warm und sicher
in Frottee verpackt, aber dennoch durchströmte sie mit einem Mal eine tiefe
Mutlosigkeit.
»Die werden mich
sonst hier töten, Daddy, irgendjemand von denen wird mich töten!«
Ewige Jagdgründe
»Sie werden schon
sehen, Sie werden schon sehen!«
Geschäftig riss
Bernardo die Beifahrertür auf und half Frau Weinwurm, ihren Jeanslatzrock über
den Knien zusammenzulegen, damit er sich nicht in der Türspalte verklemmte. Er
schmiss die Tür aufgeregt zu und rannte um die Motorhaube zur Fahrerseite.
»Es ist eine grande
sorpresa , ich hab mir was Feines für Sie ausgedacht!«
- Oh, meint er
mich, habe ich da spanische Laute gehört? – Ach, Mama, bitte nicht, bitte nicht
deine spanische Phase! Nicht die spanische! – Was hattest du gegen meine
spanische Phase? – Nichts… nu… diese Überraschung ist für mich… nicht für dich?
– E vivaaa, España, tralalalalalalaa! Ayyyy! Erinnerst du dich noch an das
tolle Flamenco-Kleid, das rote mit den weißen Punkten und der schmalen Taille,
seinerzeit als Frau Kraus-Hilfskötter und ich diesen irren Volkshochschulkurs
mitgemacht haben? Flamenco for Beginners! Ach, dieses Stampfen und Kreisen,
dies Schnippen, Schwitzen, in den Augen dieses knackigen, dunklen Tanzlehrers
versinken, olala, und dann, Ivonne-querida… - MIERDA, MAMAAA! -
»Bitte?« Bernardo bog
auf den Highway ein und beschleunigte. »Habe ich was falsch gemacht?«
»Du, my
dear young fellow? Oh
nein, entschuldige, da ist mir wohl was rausgerutscht , ich schimpfe sonst gar
nicht so arg, das gehört sich schließlich nicht… es ist nur… du weißt, fahr
nicht zu schnell, sonst wird mir schlecht!«
»Keine Sorge, hier
darf man sowieso nicht schnell fahren, nicht so wie auf der German Autobahn!
Machen Sie sich das Fenster ein Stück runter, sonst sitzen wir gleich in einem
Backofen.«
Frau Weinwurm lehnte
sich zurück und seufzte wohlig. Durch das offene Fenster strich ein angenehmer,
lauer Fahrtwind über ihr erhitztes Gesicht, Sträucher, Kakteen, wellige
Landschaften flogen an ihr vorbei, die ersten Häuser von Lionel, die
Hauptstraße, eine schaukelnde Ampel, Gussie Jane am Eingang von Gussie
Jane’s , gelangweilte Jugendliche, die die Arme reckten als könnten sie sich
von diesem Ort weghieven, vor Alf Penkatzki’s , und witternd kräuselte
sich ihre sommersprossige Nase nach den Düften von gebratenen Eiern, warmem
Brot und Ketchup, dem herrlichen Rancho Frühstück. Dann brauste die alte
Sattlerei am Ausgang des Ortes vorbei und sie fuhren in langgezogenen Kurven
durch hügelige, karge Gegend, rote Felsformationen türmte sich rechts und links
der Straße, ockerfarbene Sandverwehungen, über allem ein azurblauer Himmel,
hohe weiße Wolken wie mit Sandförmchen ausgestochen.
Frau Weinwurm sah
hinaus, sog die Bilder ein und staunte mit offenem Mund.
Kein Wunder, dass Daddy hiergeblieben war, auch nach seinem Tod! Frau Weinwurm ließ das Fenster
noch ein Stück herunter, öffnete den Knopf an ihrem Hals, und der Wind
flatterte in ihre Bluse und fuhr in ihre Haare, zerrte liebevoll an den
Spangen, und sie wunderte sich, dass sich einzelne Haarsträhnen lösten und auf
ihrem Gesicht tanzten, denn hatte nicht ein heftigerer, von geschwächten aber
immer noch lebendigen Wintergeistern getriebener Nordwind in das Zugabteil
geweht und nichts war ihrer Betonfrisur
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