Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
fremden Willen, der sie dazu
bringen wollte, sich Herbert in einer Situation vorzustellen, bei der sie nicht
zugegen war. Dies war unmöglich, sie hatte sich hoch und heilig geschworen,
sich nie wieder um Dinge und Situationen zu kümmern, die sie nicht unmittelbar
betrafen, sich nie wieder einzumischen in anderer Menschen Leben, in ihre
Angelegenheiten. Als Herbert eine Stunde später und anschließend täglich bei
ihr klingelte und anrief, tat sie jedes Mal so, als wäre sie nicht zu Hause und
wechselte schließlich sogar die Bankfiliale.
»Ach du kleiner
Indianerschlacks, ich hätte dich besser auch mal in Ruhe gelassen, nicht diese
Mimi auf deine Spur gehetzt, für nix und wieder nix. Ich mach es wieder gut,
pass nur auf!«
Frau Weinwurm ließ
sich vorsichtig zurücksinken und starrte durch ihre Sonnenbrille am Kaktusstamm
entlang in den weißen Himmel. Sie hatte sich auch mit ihren Hubba Bubbas
eingemischt, aber, fand sie, das war etwas anderes, denn es ging um
Gerechtigkeit für solche, die sich nicht selbst wehren konnten. Wie die Frauen
wohl geflucht hatten, als sie nach Hause kamen und ihnen Maria von den
Philippinen oder aus Guatemala die schweren Mäntel, die kurzen Felljoppen
abnahmen und Maria Ayyyyy, que es eso? schrie und sich die
messerscharfen, rotlackierten Fingernägel voll Entsetzen in die getrocknete,
eklige Masse bohrten! Ein Lächeln umspielte Frau Weinwurms Mundwinkel, und sie
dachte an die wunderschöne Frau mit der Champagnerflasche in der Hand,
erinnerte sich an das Gefühl, wie ihre Finger im Rucksack nach der Waffe, den
unbarmherzigen Kaugummiwürfeln, wühlten und ihre fröhliche Entschlossenheit,
mit der sie ihr letztes Opfer des Tages ins Visier nahm, denn dieser edel
gearbeitete, luxuriöse Leopardenmantel war die Krönung ihrer Rache und machte
es wett, dass sie den ersten Leoparden in der Menge verloren hatte.
Unternehmen Exitus
Im
Dezember versank das Kaff unter einer dichten, weißen Schneedecke, doch anstatt
ihr Laufpensum angesichts der Witterungsverhältnisse einzuschränken, erhöhten
Liliane und Ivonne es auf drei- bis viermal die Woche.
»Ich
komme mit dem Waschen deiner Sportklamotten überhaupt nicht mehr nach, was soll
dieses Herumgerenne eigentlich?«, murrte Terese von der Wohnzimmercouch aus,
wenn Ivonne schlammverkrustet durch die Tür wankte. »Meinst du, ich mache extra
für dich jeden Tag Wäsche?«
Ivonne zuckte die
Schultern und trampelte auf nassen Socken die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf.
Terese drückte einen kühlenden Waschlappen auf ihre Stirn und seufzte. Wohin
mit all ihrem Schaffensdrang? Die Weihnachtsvorbereitungen reichten hierfür
nicht aus, die gingen ihr geschmeidig von der Hand, denn was änderte sich schon
groß von Jahr zu Jahr? Nichts, nichts, nichts! Mit der Einrichtung ihres
»Nähstüberl« im Stile einer alpinen Wirtsstube, mit derben Bauernmöbeln, die
Terese selbst bemalt, Stühlen, in deren Rückenteil sie ächzend und schnaubend
große, geschwungene Herzen geschnitzt hatte, war sie seit dem Kauf des
I–Tüpfelchens, eines antiquarischen Spinnrades, schon lange fertig. Das
Nähstüberl entwickelte sich in den kommenden Wochen zur Teresen-Oase, zum
Mittelpunkt ihrer sporadisch auftretenden Phasen, in denen wahlweise
Aquarellmalerei, Malen-nach-Zahlen oder Verseschmieden im Sonnenuntergang
dominierten. Derzeit besuchte sie einen Kurs zur Vor- und Frühgeschichte der
Region im Gemeindezentrum des Nachbarortes, weil, so Frau Kraus-Hilfskötter,
die kecke Igelfrisur des Dozenten einen schon ins Träumen bringen konnte,
wälzte dicke Fotobände von alten Keramiken und Tonfiguren, die sie, am
Eckfenster über ihren Arbeitstisch neben dem Spinnrad gebeugt, mit Knetmasse
selbst herzustellen trachtete, da ihr Tonarbeiten zu aufwendig und schmutzig
waren. Aber, und Terese drückte die lackierten Nägel fester auf den
Waschlappen, sie spürte den anfänglichen Enthusiasmus schwinden, und wohin nun mit
ihrer kreativen Energie?
Ivonne lebte so
intensiv in der berauschenden Gefühlskaramboulage von Trainingserfolgen und den
dazugehörigen Niederlagen an Tagen, an denen ihre Füße am schneebedeckten
Waldboden klebten wie festgefroren, dass Tereses maulige Einwände und
Stimmungsschwankungen an ihr abperlten und keine Spuren hinterließen. In ihrem
Kopf schwirrten viele neue Gedanken, so dass alle Sinnesorgane auf Leerlauf
geschaltet waren, es kam sogar vor, dass sie nicht schmeckte, was sie gerade
aß, dass der heilige Akt der
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