Die Ewigen
säße ich jetzt nicht hier, oder?"
Ciaran wiegte den Kopf hin und her. "Das ist nicht wirklich geklärt. Drakes Theorie lautete, dass ein Stich genügt, es waren aber tatsächlich zwei nötig, um dich zu retten und um ein Kreuz zu formen – der Erste von ihm, der Zweite von uns. Das Durchstechen - nun, es war ohne Zweifel schockierend, aber es hat andererseits vielleicht auch deine Selbstheilungskräfte extrem maximiert. Ich würde also sagen, dass es nach wie vor unentschieden steht."
"Ihr hättet mich also nicht durchstochen, wenn ich zugestimmt hätte, Mitglied in eurem Orden zu werden?"
Jetzt schüttelte Ciaran den Kopf und antwortete mir mit Empörung in der Stimme. "Nein. Wir hätten natürlich die rein äußerliche Kennzeichnung der Haut gewählt. Optisch wäre das Ergebnis identisch gewesen, aber die Prozedur wäre doch weitaus weniger grausam gewesen."
"Aber ob das Ergebnis das gleiche gewesen wäre, das wisst ihr nicht, oder? Vielleicht hätte eure Methode nicht funktioniert - oder vielleicht bin ich ja doch keine von euch, weil Drakes Methode die falsche war?"
Hatten die anderen die Hoffnung hören können, die da in meiner Stimme lag? Als Antwort auf meine Frage war nun Andreas mal wieder an der Reihe, den Kopf zu schütteln.
"Nein. Das Gold und der Dolch sind der Schlüssel, beide kamen korrekt zum Einsatz. Und eines ist ja schon bewiesen: Du hast gesteigerte Selbstheilungskräfte, sonst würdest du jetzt nicht bei uns sitzen, und du hast dich schneller erholt, als jemals ein anderer von uns. So schrecklich das auch für dich gewesen ist: Drakes Methode war erfolgreich. Ob die andere Vorgehensweise es auch gewesen wäre, werden wir nie erfahren - aber du bist nun eine von uns, und du bist unsterblich."
An beidem hegte ich enorme Zweifel, aber die behielt ich lieber für mich: Zum einen machten mich diese Kreuze vielleicht rein optisch zu einem Mitglied in diesem Orden, aber solange nicht auch Kopf und Herz 'Ja' gesagt hatten, war ich für mich selbst keine ... Ordensschwester. Sahen sie das anders, war das ihr Problem - ich hatte meiner Haltung zu dieser Frage im Krankenzimmer deutlichst Ausdruck verliehen, und sah daher keinen Grund, das hier zu wiederholen. Zum anderen ... Gott, diese Kopfschmerzen waren wirklich lästig! Ach ja, die Sache mit der Unsterblichkeit: Unsterblich zu sein fühlte sich nicht wirklich anders an, als sterblich zu sein - ich fühlte mich nicht weniger verletzlich, nicht weniger zerbrechlich als noch vor ein paar Tagen. Nein, das war nicht ganz richtig: Ich fühlte mich jetzt, so kurz nach der Begegnung mit dem Dolch, ehrlich gesagt so mies wie schon lange nicht mehr - also würde ich wohl warten müssen, bis diese Schwäche vorbei war, um sagen zu können, ob sich da nun wirklich etwas verändert hatte oder nicht. Und wenn nicht: Es würde Jahre dauern, bis meine Blicke in den Spiegel mir beweisen würden, dass ich tatsächlich alterslos war und Jahrzehnte, um zu sehen, ob ich wirklich unsterblich war. Dennoch: Die Kreuzritter hatten mit meinem puren Überleben und unglaublich schnellem Gesunden tatsächlich den Beweis für die Wahrheit ihrer Behauptungen hinsichtlich der körperlichen Veränderungen durch die Narbe geführt, den ich so vehement eingefordert hatte. Das ließ mich nun doch ziemlich sprachlos und gleichzeitig erleichtert zurück - sprachlos angesichts der theoretischen Unmöglichkeit meines Zustandes, erleichtert schlicht und einfach darüber, ganz praktisch noch am Leben zu sein.
Ich sah hoch: Alle Augen lagen auf mir, warteten auf eine Reaktion. Ich senkte den Blick wieder auf Dolch und Buch herab, mein Kopf wehrte sich gegen weitere Fragen und noch schlimmere Antworten - Antworten, die ich gar nicht hören wollte und doch hören musste. Okay, eine Frage noch, denn ohne die ging es nicht weiter.
"Was habt ihr jetzt vor?"
Andreas antwortete mir - allerdings hatte er mich missverstanden, denn eigentlich meinte ich 'Was macht ihr mit Drake?'
"Dein Einverständnis vorausgesetzt, würden wir mit dir auf unsere Burg übersiedeln. Dort ist es weitaus sicherer und ruhiger, du könntest dich richtig erholen. Nur die hier im Raum Versammelten würden uns begleiten."
Aus Rom raus, irgendwo aufs Land - das klang verlockend, wenn auch das Wort 'Burg' bei mir erneut Assoziationen an ein dunkles, feuchtes Gemäuer heraufbeschwor. Andererseits: Was Menschen Jahrhunderte lang als sichere Zuflucht gedient hatte, sollte ich in meiner Lage nicht leichtfertig
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