Die Ewigen
verstehen.
"Wie ist dein Name?"
Das zuckende Auge lag auf mir, als der Priester mit träger, leicht arroganter Stimme antwortete.
"Giuseppe."
"Sprichst du Deutsch oder Englisch?"
"Beides."
"Dann werden wir Deutsch sprechen. Du warst gestern Abend im Pantheon und hast diese junge Dame hier in die Kirche eingelassen."
Giuseppe nickte, nach einem kurzen Blick zu mir.
"Bist du Priester?"
Jetzt zögerte er kurz.
"Ja."
"Und das Pantheon gehört zu deiner Gemeinde?"
"Nein. Ich bin noch im Seminar, ich habe keine eigene Gemeinde."
"Kennst du den Mann, der diese Frau im Pantheon niedergestochen hat?"
Diesmal kam die Antwort schneller.
"Ja."
"Wie heißt er?"
"Drake."
"Warum hat er diese Frau niedergestochen?"
Sein gesundes Auge flatterte über mich hinweg.
"Um sie zu retten. Weil ihr Zauderer seit. Damit sie ihr Werk beginnen kann."
Das blieb unkommentiert, ließ in meinem Kopf jedoch Fragezeichen aufsteigen wie Luftballons an einem Kindergeburtstag: Vor was musste ich gerettet werden? Welches Werk sollte ich beginnen?
"In welcher Beziehung stehst du zu Drake?"
Jetzt überlegte der Priester wieder, ließ dabei den Blick über die kleine Gruppe um mich herum schweifen.
"Ich bin ein Mitglied des Ordens, dessen Großmeister er ist. Wie ihr alle."
Andreas ließ das kurz wirken, dann lehnte er sich vor, das Tempo seiner Fragen nahm zu.
"Wie heißt der Orden?"
"Vom Heiligen Schwert."
"Kennst du noch andere Mitglieder dieses Ordens, außer Drake?"
"Nein."
"Weißt du, ob es noch andere Mitglieder wie dich gibt, die wir bislang nicht kennen gelernt haben?"
Der Priester verneinte wieder.
"Wie bist du Mitglied in dem Orden geworden?"
"Drake hat mich ausgewählt und mit dem Kreuz gezeichnet."
"Würdest du uns dein Kreuz zeigen?"
Der Priester nickte und zog seine Soutane vorn auseinander. Wir alle beugten uns vor, als könne eine größere Nähe uns helfen zu verstehen, was wir da sahen: Das war kein Kreuz, was die Brust des Mannes zierte, das war ein X. Ähnlich groß wie die Narben von Magnus und Jackson, weiße Striche auf brauner Haut - nur eben nicht einer senkrecht und einer waagrecht, sondern beide diagonal. Und: Die Striche waren nicht gerade und in einem durchgezogen worden, sie bestanden vielmehr aus kleinen, über- und nebeneinander lagernden, kurzen Linien, als habe jemand mit einer Klinge auf der Brust gestrichelt, wie man es sonst mit einem Bleistift auf Papier tut. Der Priester lächelte stolz und lehnte sich noch ein wenig vor, Magnus packte ihn von hinten an der Schulter und zog ihn zurück.
"Danke", sagte Andreas.
"Gerne, Bruder", antworte der Priester und ich sah, wie sich ein gefährliches Lächeln auf Andreas Züge legte.
"Du bist nicht mein Bruder", sagte er kalt. "Und du bist kein Mitglied unseres Ordens."
Der Priester erstarrte, dann schüttelte er den Kopf und zog seine Soutane rasch wieder zusammen, als gönne er uns den Anblick dieser schiefen Narbe nicht.
"Du lügst. Du hast selbst ein Kreuz auf deiner Brust, sonst wärst du nicht hier, mit ihr." Er zeigte auf mich, Magnus patschte ihm die Hand herunter wie einem ungezogenen Kind. "Ihr alle habt ein Kreuz, das macht uns zu Brüdern." Sein Auge glitzerte, seine Stimme wurde kräftiger. "Doch wir sind euch überlegen: Drake und ich haben den Mut gefunden, das zu tun, was ihr hättet tun müssen, und ihr werdet uns euren Dank erweisen."
Andreas neigte seinen Kopf leicht zur Seite.
"Werden wir das? Nun, das bleibt abzuwarten." Er wies auf das farbenfroh schillernde Veilchen. "Seit wann hast du das?"
"Seit gestern Abend."
"Dauert es immer so lange, bis dergleichen bei dir verheilt?"
Giuseppe zuckte mit den Schultern. "Ja. Erst wenn ich auch Großmeister bin, werde ich die Kräfte haben, die Drake hat."
"Soso, Großmeister wirst du."
"Ja. Das habe ich mir gestern verdient."
"Und die Unsterblichkeit?"
Giuseppe sah Andreas etwas dümmlich an, als habe der gerade angezweifelt, was nun wirklich jedes Kind wusste.
"Die geht mit dem ersten Kreuz einher."
"Du bist also unsterblich?"
"Ja."
Andreas ließ das so stehen.
"Wie viele Großmeister gibt es in deinem Orden?"
Das erstaunte den Priester, er riss das zuckende Auge auf.
"Nur Drake, natürlich."
"Hat er dir sein Kreuz schon einmal gezeigt?"
Der Priester nickte. "Es ist ein Großmeister-Kreuz, gerade und mit Schwingen. Meines wird dann auch durch so eins ersetzt."
"Da du uns dein Kreuz gezeigt hast: Möchtest du vielleicht nun das von einem der Herrschaften hier
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