Die Ewigen
du einen Bruder oder eine Schwester gleich welchen Ranges von der Unsterblichkeit befreien kannst. Und hier ist der Dolch, den du dazu brauchst." Er schlug den Samt zur Seite und entblößte die kalte Klinge, meine Brust reagierte mit einem überraschenden, scharfen Schmerz der Erinnerung. "Du wirst dich entscheiden, und ich werde diese Entscheidung akzeptieren."
"Wir alle werden diese Entscheidung akzeptieren", ergänzte Ciaran Andreas' Worte, die anderen nickten.
Einen Moment herrschte Schweigen, und ich fühlte mich nicht in der Lage, etwas dazu zu sagen, starrte nur stumm hinunter auf den Dolch und die daneben liegende, goldene und natürlich ebenfalls edelstein- und schwingenkreuzverzierte Scheide. Zu was hatte Andreas mich da gerade befördert? Zu was hatte er mich gemacht? Zur Herrin über Leben und Tod, über Sterblichkeit und Unsterblichkeit? Von real existierenden Menschen, Menschen aus Fleisch und Blut? Indiskutabel, definitiv nichts für mich: weder in Sachen Wollen noch in Sachen Können. Ich mochte eine eingebildete Zicke sein, wenn ich denn den gebrüllten Abschiedsworten meines letzten Freundes Glauben schenkte, aber so weit ging mein Selbstvertrauen dann doch nicht. Eine passende Erwiderung auf Andreas' Worte fiel meinem pochenden Kopf nicht ein, also wich ich erneut auf Fragen aus - noch lagen nicht alle Antworten auf dem Tisch, noch barg das Geschehen im Pantheon ein paar Geheimnisse.
"Denkt ihr, dass Drake mich töten wollte?", fragte ich Andreas und Ciaran das, was mich schon im Krankenzimmer beschäftigt hatte, Andreas schüttelte nachdrücklich den Kopf.
"Nein. Er hat dich so schwer verwundet, dass wir dich nur durch den zweiten, den entscheidenden Stoß retten konnten - das passt auch zu dem, was er laut Albert und Jackson gerufen hat, als er geflohen ist: 'Der Rest ist für euch'. Wir sollten vollenden, was er begonnen hatte - nein: wir mussten vollenden, was er begonnen hatte, sonst wärest du gestorben. Damit hat er dich deiner freien Entscheidung beraubt und uns vor die Wahl gestellt, dich entweder sterben zu lassen oder eben gegen deinen Willen zu einem Mitglied unseres Ordens zu machen. Er hat uns gezwungen, dich zu zwingen, das war seine Rache, sein Hohngelächter über unser 'Zaudern', wie er es immer nannte, wenn ihm irgendetwas nicht schnell genug ging, wenn wir eine Angelegenheit nicht mit aller Vehemenz verfolgt haben. Wir haben dir gesagt, du könntest wählen - für ihn gab es diese Wahlmöglichkeit nie, für ihn gehörst du unausweichlich und unwiderruflich dem Schwert."
Ciaran stellte mir ein Glas Wasser hin. Zu viele Gläser Wasser in zu vielen schwierigen Gesprächen, dachte ich, griff trotzdem danach und hielt mir das kühle Glas an die Stirn, um den Kopfschmerz im Zaum zu halten.
"Die Kreuznarben, die ihr habt, sind oberflächlich", sagte ich, als willkommene eisige Wellen meine Gedanken abkühlten. "Warum hat er dann nicht auch bei mir nur die Haut angeritzt? Mich zu erstechen ist doch ein wenig ... extrem, nur um sich an euch zu rächen und mich dazu zu zwingen, hier mitzuspielen. Ich hätte tatsächlich sterben können", fügte ich hinzu und hoffte, dass meine Stimme bei diesen Worten nicht zu jammernd oder weinerlich klang.
Andreas wies als Antwort auf die Chronik. "Es gibt in diesem Buch einen Text, der auf verschiedene Arten gedeutet werden kann. Latein ist eigentlich eine sehr klare Sprache, aber über diese Passage haben wir Jahre lang diskutiert, ohne dass der eine oder andere den entscheidenden Beweis für seine Interpretation hätte erbringen können. Der Text spricht von einem Kreuz auf der Brust und einem weiteren auf dem Rücken des Schwert-Lösers, beigefügt mit einem einzigen Streich des Dolches. Drake war der festen Ansicht, dass dies auf das Durchstechen des Brustkorbes hinweist, Ciaran und ich tendierten immer mehr zu der Auslegung, dass damit nur die Unmittelbarkeit der Anbringung der beiden Kreuzbalken betont werden soll, da auch bei den anderen Prozeduren auf die korrekten Zeitabstände Wert gelegt wird. Außerdem ist es rein technisch unmöglich, mit der ganz normalen Klinge eines Dolches in einem Streich ein vollständiges Kreuz zu stechen, sei es nun nur auf einer Seite des Körpers oder aber auf Brust und Rücken zugleich: Für die vier Balken braucht man immer mindestens zwei Stiche."
"Und als er mich ... aufgespießt hat, hat er euch quasi dazu gezwungen, seiner Theorie zu folgen? Und er hat auch bewiesen, dass er Recht hat - denn sonst
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