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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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Begrüßung, das Lächeln noch eine Spur breiter.
    Ich musste lachen: Er klang begeistert, und das passierte mir bei diesem Thema und vor allem bei männlichen Wesen nicht allzu oft.
    "Wie groß bist du denn?", fragte ich zurück, er machte den Oberkörper etwas gerader.
    "Einsfünfundachtzig."
    "Dann bist einen Zentimeter größer als ich – aber nur, wenn ich die hier ausziehe", sagte ich und deutete auf meine nicht unerheblich mit Absätzen versehenen Stiefel, Davide lachte und verzog dann das Gesicht.
    "Tut's weh?", fragte ich mit Blick auf sein linkes Bein, das ausgestreckt auf dem Bett lag, mit einem sauberen Handtuch zugedeckt.
    "Geht schon - nur, wenn ich es bewege."
    "Dafür sind Beine da", versetzte Ciaran, der mittlerweile alle Lampen im Raum angeschaltet hatte.
    Allgemeinplätze, die Allgemeinärzte wahrscheinlich während ihres Studiums lernten – auch wenn das Medizinstudium zur Jugendzeit Ciarans ein bisschen anders ausgesehen haben dürfte als heute, dachte ich, während der mit ein paar leisen Worten Davides Mutter zur Tür geleitete und diese dann bestimmt hinter ihr schloss.
    "Sie macht uns Kaffee."
    Das war sehr nett, aber ich wollte keinen (nein: brauchte keinen!) um wach zu werden: Davide hatte gerade das Handtuch von seinem Bein weggeschlagen, und der Anblick der Wunde vertrieb meine Müdigkeit besser, als Koffein es gekonnt hätte. Fast war mir, als könnte ich sie riechen – ein unangenehmer, säuerlich-milchiger Geruch ging von ihr aus, nur leicht gemildert durch einen frischen wie auch erfrischenden Duft nach Minze, der rund um den Jungen in der Luft zu hängen schien. Aussehen tat die Verletzung allerdings noch schlechter als sie roch: Hatte sie ursprünglich wahrscheinlich aus einem etwa zehn Zentimeter langen Riss oder Schnitt vorn neben dem Schienbein bestanden, war sie nun wirklich böse entzündet – mit käsig weißer Haut um eine blassrote, geschwollene und feucht schimmernde Wunde. Ich war plötzlich gar nicht mehr so traurig darüber, dass mir ein ähnlicher Anblick auf meiner eigenen Brust erspart geblieben war: Das goldene Kreuz mochte mich entsetzt haben, aber so was? Das hätte mich auf direktem Weg zurück zur Toilette getrieben, keine Frage.
    Ciaran schnalzte missbilligend mit der Zunge, während er das Bein betrachtete, mich selber erwischte ich bei einem angeekelten Gesichtsausdruck, den ich schnell zugunsten einer neutraleren Miene umsortierte.
    "Wie ist das passiert?", fragte Ciaran, während ich ihm auf seine Bitte hin Handschuhe, sterile Tücher und seine lederne Besteckmappe auf dem Nachtisch bereitlegte.
    "Hat meine Mutter Ihnen das nicht erzählt?"
    "Doch, doch – aber das sieht für mich nicht nach einer Verletzung aus, die man sich beim Klettern über Stacheldraht holt."
    Der Junge schluckte und blickte beschämt-ertappt von Ciaran zu mir.
    "Erzähl es ihm", riet ich, "deine Mutter muss es ja nicht erfahren."
    Davide seufzte und verzog den Mund.
    "Es war einfach blöd. Ein Freund von mir hat eine Geländemaschine und mit der sind wir ... rum gefahren."
    "Durch den Wald?"
    Davide sah Ciaran entschuldigend an. "Ja - über die Waldwege. Das kann man bei Ihnen da oben hören, oder? Luca behauptet, kein Mensch wüsste das. Ich bin gegen einen Begrenzungsstein gefahren, runter gefallen und mit dem Bein gegen eine abgesägte Metallstange gerutscht, die aus dem Boden geragt hat. Ein altes Straßenschild oder so was."
    "Hat es nur das Bein erwischt?"
    Davide schüttelte den Kopf. "Die Schulter auch, davon hab ich meinen Eltern gar nichts erzählt."
    Während er sich aus seinem Hemd quälte und ein großflächiges, aber im Vergleich zu seiner Beinwunde relativ unekelig aussehendes Hämatom unterhalb der linken Schulter am Rücken enthüllte, interessierte mich noch was ganz anderes.
    "Ist das Motorrad kaputt?"
    Davide biss sich auf die Lippen – ob das nun an Ciarans tastenden Fingern auf seiner ramponierten Schulter oder an meiner Frage lag, wurde nicht ganz klar, aber er nickte als Antwort. Kein Wunder, dass der Junge die Wunde achtlos mit einem Pflaster versorgt hat, dachte ich: Für ihn war es wahrscheinlich das viel größere Problem, wie er seinem Kumpel den Schaden am Motorrad ersetzen sollte. Ciaran gab Davide einige Anweisungen, mit denen er die Beweglichkeit des Arms überprüfte, dann ließ er mich als medizinischer Nachwuchskraft ebenfalls die gequetschte Schulter abtasten - ich gehorchte nur zögernd und nach einem entschuldigenden Blick zu dem Jungen.

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