Die Ewigen
jetzt?
"Klar", antwortete sie, zog einen Schuh aus und massierte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem vorwurfsvollen Blick in meine Richtung die lila lackierten Zehen. "Fragen kann man immer alles."
Davide blickte von mir zu ihr und wieder zurück. "Ich wüsste gerne, wer ... oder ... was genau ... ihr seid."
Ich bekam ein bisschen süßen Saft in den falschen Hals und hustete, Josie platze vor Lachen laut heraus.
"Ich bin Josie, das ist Shara. Wir sind Menschen, vom Planeten Erde."
Der Junge sah verlegen auf seine Hände, auf seinen gebräunten Wangen erschienen ein paar rote Flecken - mir erging es sicher nicht anders, denn das war genau die Art von Frage, die ich befürchtet hatte.
"Das meine ich nicht", sagte Davide. "Was ... macht ihr eigentlich auf der Burg?"
Ich trank weiter von meinem Saft und überließ Josie das Wort, die zuckte mit den Achseln.
"Ich weiß nicht, was du meinst. Wir wohnen da halt."
Sie warf Davide einen raschen Seitenblick zu und entschied sich für die Mitleidsnummer, als dessen Augen immer noch fragend auf ihr lagen.
"Wir haben fast alle ... schon lange keine eigene Familie mehr, Andreas und Ciaran kümmern sich um uns. Mehr ist da nicht. Shara ist bei uns zu Gast, sie weiß noch nicht genau, ob sie auch bleibt."
Das war noch nicht mal gelogen, stellte ich erstaunt fest: Wer seit Hunderten von Jahren in diesem Orden lebte, allabendlich von Ciaran bekocht und regelmäßig von Andreas diszipliniert wurde, konnte all das mit Fug und Recht von sich behaupten. Davide sprang auch prompt drauf an: Er klang nun sehr geknickt, als sei er uns mit seiner Frage zu nahe getreten.
"Echt? Das tut mir leid."
Josie lächelte tapfer und tätschelte ihm den Arm, zog dann die Hand zurück und betrachtete kritisch ihre Haut.
"Alles neue Sommersprossen", sagte sie anklagend und streckte mir die Hand hin. "Ganz toll, Shara, vielen Dank."
Ich lachte, stand auf und warf meinen Becher in den bereitgestellten Mülleimer. Davide und Josie folgten mir bereitwillig aus der kühlen Hütte zurück in die warme Nachmittagssonne, und wir machten uns langsam auf den Rückweg zum Auto. Josie lief wieder ein paar Meter vor uns her, Davide stellte weitere Fragen, allerdings sämtlich harmlos und große ohne Probleme zu beantworten: Ob ich auch studiert hätte und was, wo ich wohnen würde, wenn ich nicht in der Burg wäre, ob ich das Auto eigentlich wirklich kriegen würde, das wir neulich aus den Katalogen rausgesucht hatten, ob ich Geschwister hätte, welche Musik und welche Filme ich mochte und so weiter.
Die Sonne sank vor uns langsam herunter und ließ mich meine Sonnenbrille vermissen: In einer halben Stunde wäre es in diesem Teil des Tales bereits dämmerig und kühl. Ich hatte schon wieder Hunger, freute mich auf das Abendessen und fragte mich gerade, ob ich Davide wohl einfach zum Essen auf die Burg einladen könnte, als Josie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und mit sich überschlagender Stimme nach Shane schrie. Die Sonne blendete mich noch immer, und so erkannte ich die große Gestalt nicht sofort, die da langsam und mit seitwärts ausgestreckten Armen aus den dichten Reihen der Obstbäume auf den Weg trat - wenn ich die Panik in Josies Stimme jedoch richtig deutete, konnte das nur eines bedeuten: Drake.
Magnus
Der Alarm gellte schrill durch die Burg, und ich rannte gerade zum Haupthaus, als die großen Flügel der Garage aufflogen und mich die Richtung wechseln ließen.
"Jack! Was ist los?"
Er beachtete mich nicht und lief zurück in die Garage, ich hörte einen Motor aufheulen und kurz darauf schwang ich mich hinter ihm auf den Rücksitz des Geländewagens, als er gnädigerweise für etwa eine halbe Sekunde neben mir anhielt.
"Shane hat den Alarm aktiviert", stieß Jack hervor und drückte mir ein Funkgerät in die Hand. "Andreas gibt uns ihren genauen Standort durch, sie sind irgendwo Richtung Taleingang."
Das Tor in der Burgmauer ging gerade auf, und ein Seitenspiegel blieb kreischend auf der Strecke, als Jack durch die schweren Holzflügel raste. Ich klammerte mich am Vordersitz fest, kurz darauf klang Andreas' Stimme klar und beherrscht durch das Funkgerät und lotste uns mit präzisen Richtungsangaben die engen Serpentinen hinunter und dann durch schmale Landwirtschaftswege auf die andere Seite des Tals.
Shara
Es war Drake, kein Zweifel. Was meine Augen im blendenden Sonnenlicht nicht erkannten, was meinem Kopf an Gewissheit fehlte, ergänzten mein sich panisch
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