Die Ewigen
Tür und blickte freundlich, aber auch leicht fragend auf Ciarans sehr aufrechten Rücken. Ich hörte, wie Ciaran tief einatmete, dann drehte er sich langsam um - Manzini erstarrte, schnappte erschrocken nach Luft, wich einen Schritt zurück und suchte mit einer Hand Halt an der Wand.
"Hallo, Guido", sagte Ciaran mit seiner weichen Stimme, und Manzini schüttelte langsam den Kopf, als wolle er verneinen, was er da sah.
"Ciaran ...?"
Eine einfache Frage, doch unmöglich zu beantworten. Manzinis Augen schossen von Ciarans jungem Gesicht hinauf zu dessen schimmernden, vollen rotbraunen Haaren und hinunter zu dem fitten, straffen Körper. Manzini mochte etwa sechzig sein - seine Haare waren ergraut und dünn, seine Haut erschlafft, sein Körper beugte sich schon leicht, der weiße Kittel konnte den dezenten Bauchansatz nicht mehr verbergen. Wenn Ciaran Manzini an der Uni oder in einem Krankenhaus unterrichtet hatte, hatte er sich dort als mindestens zehn, wenn nicht gar zwanzig Jahre älter als Manzini ausgeben müssen: Also müsste Ciaran für seinen ehemaligen Schüler heute mindestens siebzig, wenn nicht gar achtzig sein. Tatsächlich sah Ciaran aber eher aus wie etwas über dreißig - und wahrscheinlich bis auf die letzte Sommersprosse genau so, wie Manzini ihn das letzte Mal gesehen hatte. So etwas brachte auch der beste Schönheitschirurg nicht zustande, nicht mit dieser Natürlichkeit: Manzinis Schock über Ciarans jugendliches Äußeres war also mehr als nur verständlich und stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben - aufgerissene Augen, hochgezogene Brauen, sprachlos geöffneter Mund.
"Ja, Guido, ich bin es", sagte Ciaran leise.
"Wie ...?"
Was Manzini meinte, war klar: Wie ist das möglich? Und vielleicht auch: Wie zum Teufel hast du das gemacht?
Ciaran zuckte mit den Achseln, als wäre das nun wirklich kein sehr wichtiges Thema.
"Eine lange Geschichte", antwortete er, "und ich weiß nicht, ob du sie wirklich hören willst. Aber ich danke dir dafür, dass du den jungen Mann hier aufgenommen hast - und wenn er bis Morgen bleiben darf, werden wir dich nicht weiter belästigen."
Bei Ciarans 'wir' blickte Manzini zu mir, forschte in meinem Gesicht nach verräterischen Zeichen, als würde auch ich Jahrhunderte unter meiner Twen-Haut verstecken. Aber da konnte ich absolut ehrlich unschuldig zurückschauen: Ich war genau so alt, wie ich aussah - nein: wahrscheinlich war ich einige Jahre jünger, als ich aussah, geschuldet der Energie, die ich an Shane abgegeben hatte.
"Wer ist sie?", fragte Manzini mit einer Geste zu mir, wies dann auf das Bett. "Und wer ist er?"
Ciaran blickte erst zu Shane. "Ein junger Mann, für den ich die Verantwortung habe. Und er wurde verletzt, weil er sie" - er nickte zu mir - "beschützen wollte."
Manzinis Gesichtsausdruck blieb zweifelnd, dann nickte er langsam.
"Gut, akzeptiert. Aber warum ist sie hier an seinem Bett, während seine Freundin dort draußen wartet? Wer sind diese ganzen Leute? Warum lösen sie sich regelmäßig ab und halten ihre Hand?"
Ein guter Beobachter, der Dottore. Ciaran sah zu mir, ich zu ihm. Ich hätte gern warnend den Kopf geschüttelt, aber das hätte Manzini gesehen, also versuchte ich es mit den Augen: Nein, Ciaran, wollte ich ihm bedeuten, verrate es ihm nicht. Manzini ist Arzt - diese Heilkraft wird ihn ähnlich faszinieren dich, er würde sie nicht für sich behalten können, und dann sind wir verraten und verkauft. Entweder hatte Ciaran meinen Blick tatsächlich verstanden, oder er wollte Manzini ebenfalls so weit wie möglich im Dunklen lassen, denn er antwortete seinem einstigen Schüler ebenso höflich wie abweisend.
"Das möchte ich dir nicht sagen müssen, Guido. Wir tun nichts Böses, vertrau mir. Ich bitte dich nur darum, uns bis morgen hier zu dulden. Wir werden niemanden stören und wir werden gehen, sobald der Zustand dieses jungen Herrn zulässt, dass er entlassen werden kann. Vielleicht schon gegen Mittag."
Manzini zog die Schiebetür zum Flur hinter sich zu, wo zwei Schwestern in leisem Gespräch vorübergingen.
"Der geht morgen nirgendwo hin", sagte er mit einem Nicken zum Bett, verschränkte die Arme auf der Brust. "Ich bin froh, dass ich ihn lebend aus dem OP rausbekommen habe - es wird Wochen dauern, bis er wieder auf seinen eigenen zwei Beinen stehen wird."
Alle drei blickten wir zu Shane - und ich hätte beinahe gelacht, als eine schwache Bewegung durch seinen eben noch so reglosen Körper zuckte: Eine bebende Welle von
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