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Die Ewigen

Die Ewigen

Titel: Die Ewigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Sabalat
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grünen Blick und legte meine Fingerspitzen dann vorsichtig auf Shanes Arm.
    Ein Blitz knallte wie ein Peitschenhieb durch meinen Körper, ähnlich wie bei der alten Frau mit dem Herzinfarkt: nicht ganz so explosionsartig und vor allem nicht so unerwartet, dafür aber gleich bleibend stark, andauernd brutal. Kein gewohnter oder altbekannter Sog, sondern ein wahrer Strudel aus Schmerzen und Qual, der Shane geradezu in den Tod führte, und den wir jetzt aufhalten mussten. Ich hob die Fingerspitzen wieder ab, versuchte mit kühlem Kopf den Mahlstrom einzuschätzen, den Shane in mir entfacht hatte: Eine Viertelstunde, dachte ich, dann wirst du unweigerlich bewusstlos - fünf Minuten könnte ich das allerdings in aufrechter Haltung aushalten, vielleicht sogar zehn.
    "Stopp mir sieben Minuten", bat ich Jackson, und ging damit auf Nummer sicher. "Dann lädst du mich die gleiche Zeit auf. Er zieht zu stark, das kann ich nicht einfach weiterleiten, du würdest ohnmächtig werden."
    Jackson widersprach nicht und schlang mir von hinten die Arme um die Taille. Ich lehnte mich leicht an ihn - auch ohne Hautkontakt war das eine wunderbare, wohltuende Nähe, die mir Sicherheit und Mut gab. Beides brauchte ich nicht zu knapp, denn was nun kam, hatte ich zwar prinzipiell schon viele Male getan, aber noch nie für jemanden, den ich kannte und den ich zu meinen Freunden zählte: Ich konnte jeden Beistand brauchen, den Jackson mir geben konnte - um wach zu bleiben, um stark zu bleiben. Nach ein paar tiefen, vorbereitenden Atemzügen legte ich Finger für Finger die ganze Hand auf Shanes seltsam klamme Haut. Der Blitz kam wieder, zuckte durch meinen Körper und ließ jede einzelne Nervenfaser wie elektrisiert leuchten - ich schloss die Augen und konzentrierte mich wie gewohnt aufs Atmen. Ich hörte kaum ein Geräusch aus dem Zimmer oder der Station hinter der zugeschobenen Tür: Blut pochte in meinen Ohren, ließ meinen Kopf rauschen, machte mich benommen - ich war mir nach ein, zwei Minuten noch nicht mal mehr sicher, ob dieser unregelmäßige Herzschlag in meinem Körper mir oder Shane gehörte. Als erwachsener Mann zog er viel heftiger an mir als ein Kind, vielleicht erinnerte er mich deshalb so stark an die alte, sterbende Frau. Übelkeit legte sich wie eine muffige Decke über mich, und ich hielt sie mit flachen Atemzügen durch die Nase in Schach, damit ich nicht ohnmächtig wurde, damit sie mich nicht erstickte. Die Taubheit in meinen Gliedern breitete sich aus: Nicht so lähmend wie zu Anfang der Sitzungen mit den Kindern, dafür großflächiger und zähflüssig wie Sirup, sie schlich von Zelle zu Zelle und hinterließ in jeder eine bleierne Erschöpfung. Ich lehnte mich noch mehr gegen Jackson, war dankbar für seine stützenden Arme - und hörte ihn schockiert nach Luft schnappen, als er dummerweise mit seinen Lippen die Haut in meinem Nacken streifte und die Blitze von mir auf ihn hinüber zischten.
    Ich lachte leise. "Jetzt weißt du's", flüsterte ich und spürte sein schwaches Nicken in meinen Haaren.
    Seine Arme waren im Schock erschlafft, nun atmete er tief ein und fasste mich wieder fester.
    "Die sieben Minuten sind vorbei", sagte er nach gar nicht allzu langer Zeit, ich hob langsam erst die Handfläche, dann die Finger von Shanes Haut.
    Der Strudel fiel in sich zusammen und erstarb, ich atmete ein paar Mal tief ein und aus, tauschte die muffige Decke gegen die warme, antiseptische Luft des Zimmers: Keine wirkliche Verbesserung, aber manchmal geht es einfach nur ums Prinzip. Jackson bewegte sich nicht und ließ mir Zeit - nach einer konzentrierten, stillen Minute drehte ich mich langsam zu ihm um.
    "Wie geht es dir?", fragte er, worüber ich fast lächeln konnte.
    "Wie geht es Shane?", fragte ich zurück, Jackson nickte zum Monitor hinüber.
    "Sein Herzschlag ist kräftiger", sagte er.
    Tatsächlich: Die grüne Linie zackte jetzt ein ganzes Stück deutlicher nach oben.
    "Besorgst du mir bitte eine Cola?", fragte ich und rieb mir mit der Hand über die Augen, Jackson lächelte ein wenig schief, aber hübsch eckzahnig - wahrscheinlich fragt er sich gerade, ob er aus alter Gewohnheit auch einen Eimer zum Übergeben holen soll, dachte ich, aber da hätte ich Entwarnung geben können: Ich war schrecklich erschöpft, aber übel war mir nicht, Gott sei Dank.
    "Natürlich. Aber willst du vorher nicht noch was anderes haben?"
    Ich nickte und legte meine Stirn an seine - warum mit profanem Händchenhalten vorlieb nehmen, wenn ich

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